Ein Land, das nicht mehr Deutsch kann

Welches Land ist das? Ausgerechnet Deutsch-Land. 

In der Schule bei meinem Enkel habe ich es schon gesehen und jetzt lese ich es gerade in der BILD am SONNTAG: Ein Fußballverein hat einen „Ort für ganz besondere Fans“, nämlich Autisten, eingerichtet und ihn mit einem „Snoeselraum“ verbunden. Besonders gut sind solche Worte für Lese-Rechtschreib-Schwache und Zugewanderte, die die Sprache ihres neuen Zuhause-Landes lernen wollen (sollen).

„Snoeseln“ ist ein neugebildetes Mischwort, das von den niederländischen Worten für „Schnuppern“ und „Dösen“ kommt. Es ist ausnahmsweise mal nicht englischen Ursprungs, hört sich aber immerhin und wenigstens so an. Das deutsche Wort „Entspannungsraum“ reicht jedenfalls nicht, es ist nicht besonders und nicht schick genug. Das würde ja jeder, der mit der deutschen Sprache aufwächst bzw. aufgewachsen ist, auf Anhieb verstehen. Wo kämen wir denn da hin, dann könnten wir uns ja gleich von den ganzen überflüssigen Anglizismen verabschieden, die die Verständigung hier immer schwieriger machen, jedenfalls für die, die Deutsch „früher mal“ richtig konnten?

Alles, was neu ist, darf auf keinen Fall in der hier gewachsenen Sprache ausgedrückt werden. /1/ Dafür braucht es dann unbedingt ein englisches oder wenigstens so klingendes Wort. Ganz nebenbei und beständig teilen wir allen, die hier leben, auf diese Weise mit, dass wir nicht auf uns selbst vertrauen können und wollen, sondern dass wir unbedingt einen großen sprachlich-kulturellen Bruder brauchen, der uns an die Hand nimmt.

Die Sowjetunion wurde auch als großer Bruder der DDR bezeichnet, die kulturell-sprachliche Selbstbehauptung der Deutschen in der DDR gegenüber der sowjetischen Führungsmacht war allerdings um ein Vielfaches höher als die der Deutschen in der BRD gegenüber ihrer US-amerikanischen Führungsmacht. Aber die Führungsmächte alter Art sterben ab. Um die Sowjetunion ist es schon geschehen. Die USA folgen ihr, langsam und mit gebührendem Abstand.

Jedenfalls staunt der ganze „Westen“, dass er nicht mehr den Mittelpunkt der Welt ausmacht, sondern dass sich mit den BRICS-Staaten ein anderer Bund formiert, der „dem Westen“ heute schon wirtschaftlich überlegen ist. So schnell können die Etablierten, mir scheint, besonders die in Deutschland, gar nicht gucken, wie sich der „freie“ und „demokratische“ Westen aus dem Mittelpunkt der Welt verabschiedet.

Ich war verblüfft, wie rasend schnell sich das Alte in der DDR im Jahr 1989  – die, die nicht mehr Deutsch können (wollen), sagen: „in 1989“ – auflöste. Und das, obwohl sich die Regierenden mit Händen und Füßen dagegen sträubten, insbesondere ihren Inlandsgeheimdienst, die Staatssicherheit, dagegen in Stellung brachten. Es kam mir vor wie das immer rasendere Abrollen der Tonbandspule, auf der nur noch wenig Band ist.

Heute wird der „Verfassungsschutz“ als Inlandsgeheimdienst eingesetzt, um den „freien Westen“ in Deutschland zu retten. Gegen den gerechten Volkszorn kommt aber keiner an, wenn die Probleme, die ihn hervorrufen, nicht wirklich und praktisch angegangen werden. Weder die einen konnten das, noch die anderen werden das können. Wenn es dazu kommt, hoffe ich nur, dass der Gesellschaftswandel – damit mich auch die „freien Westdemokraten“ verstehen: der „regime change“ – auch diesmal ohne Blutvergießen gelingen wird, friedlich und gewaltfrei wie 1989 in der DDR.

Bezüglich der Sprache muss ich zugeben, dass sich auch die BRICS-Staaten vorläufig mit dem Englischen als Verkehrssprache behelfen, wahrscheinlich allein schon deswegen, weil es in Indien, einer der Hauptmächte der „neuen Zeit“, auch national als verbindende Verkehrssprache dient.

Aber ich glaube nicht, dass das auf die Dauer so bleiben wird. Die BRICS-Staaten sind in der Lage und Willens, von einer multipolaren Welt auszugehen, die aus mehreren Kraft- und Führungszentren besteht, die sich im friedlichen Wettbewerb gegenseitig Impulse verleihen. Der „freie“, „demokratische“ Westen verharrt in dem Glauben, dass es eine einzige Weltführungsmacht gibt, die USA, die sich, ihre eigene Nation und ihre Bürger, über internationale Instanzen wie den Weltgerichtshof in Den Haag stellt. (Allerdings tun dies China, Russland, Indien und Israel auch, wobei diese Länder aber nicht den Anspruch erheben, einen weltweiten Kampf für die freie Demokratie anzuführen.)

Die deutsche Regierung findet gut und richtig, was die USA tun, prinzipiell und fast immer, und belehrt lieber andere Länder wie Ungarn, Polen und Italien darüber, was eine richtige Demokratie sei. Warten wir ab, was in Frankreich passiert. Es ist jedenfalls eine hochinteressante Zeit, in der wir leben. Da kann man nicht meckern.

PS: Die überwiegende Mehrheit der Asylbewerber will nicht einfach nach „Europa“, sondern nach Deutschland. Einige von ihnen sind auch bereit, sich schon sprachlich darauf vorzubereiten, bevor sie hier ankommen. Sie haben in einer noch mehr überwiegenden Anzahl aber Englisch gelernt, nicht die Sprache des Landes, wohin sie unbedingt wollen. (Deutsch zu lernen wäre mit Hilfe eines Smartphones genauso möglich, wie Englisch zu lernen.) Wie kommt das? Kann sie mal jemand aufklären, welche die offizielle Amtssprache in Deutschland ist? Dass sie im Ernst glauben, Deutschland wäre in Wirklichkeit Englischland, Englisch hier zumindest eine zweite, gleichberechtigte Amtssprache /2/, so wie es in einigen Ländern viele Stammessprachen gibt, aber die übergeordnete, wichtige Englisch ist, kann nur an der Geringschätzung der Deutschen für ihre eigene Sprache liegen. Und das ist so, obwohl sie die mit Abstand am meisten gesprochene Sprache in der Europäischen Union ist, dort in vier Ländern zu den offiziellen Amtssprachen gehört (mit der Schweiz sind es fünf) und vor einigen Jahrzehnten noch als Weltsprache galt. Für mich wäre das schon ein wichtiges Kriterium bei der Prüfung des Asylantrags: Wer unbedingt nach Deutschland will, sollte seine Integrationsbereitschaft mit Sprachkenntnissen, und zwar deutschen, nachweisen. Wer nur Englisch spricht, dem würde ich entgegenkommen und ihm ein englischsprachiges Land empfehlen. Wenn sich das herumspricht, kämen wir wahrscheinlich schon allein dadurch zu einem ausgeglicheneren Verhältnis bezüglich der Länder, in denen Flüchtlinge einen Asylantrag stellen.

 

Fußnoten

/1/ Ich hatte darauf schon verwiesen: Wenn schon unsere Vorfahren so servil ihre Untertänigkeit gegenüber den angesagten Führungsmächten ihrer Zeit zelebriert hätten, gäbe es heute keine „Lufthansa“, sondern nur irgendetwas mit „Air“ oder „Wings“, wie ja auch alle neu gegründeten Fluglinien  – pardon: „Airlines“ natürlich  – heute bei uns heißen. Diese Ablehnung des sprachlich Eigenen hat wohl in den 70-er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Deutschland Fahrt aufgenommen. Dabei heißt „inter“ „zwischen“. Wer also den „Inter-Nationalismus“ groß schreiben will, muss die Nationen wertschätzen, denn sie sind die inhaltliche Substanz, die Kernpunkte; nur zwischen ihnen kann ein „inter-nationales“ Beziehungsnetz entstehen. Der „Inhalt“ ist immer noch das wichtigste. Erst danach kommt der „Ausdruck“, die Form seiner Verbindung.

/2/ Die FDP will das ja im Ernst erreichen. Augen auf bei der Parteien-Wahl.

 

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