Wir sind doch alle Opfer und werden immer besser in dieser Disziplin

Wodurch? Durch staatlich geförderte Disziplinlosigkeiten. (Kleiner Sprachscherz am Rande)

Ich habe heute Vormittag im Deutschlandfunk einen Gesundheitsratgeber gehört. Es ging um Übergewichtigkeit, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Sie werden zuweilen deswegen auch noch gemobbt, sind dann Opfer in doppelter Hinsicht. Für ihre Übergewichtigkeit können sie natürlich selbst gar nichts, auch ihre Eltern nicht. Es war den Ratgebern und der moderierenden Journalisten ganz wichtig, das herauszuarbeiten und immer wieder zu betonen. Viel schlimmer sei die böse Industrie, die Kalorien und Fette versteckt und die eine verdammt wirksame Werbung für Süßigkeiten und anderes Ungesunde machen würde.

Wenn es aber so einfach ist, durch Werbung Konsumenten zu manipulieren, warum starten dann nicht alle in Frage kommenden Ministerien, die für Gesundheit, Verbraucherschutz, Jugend und Familie zum Beispiel, eine konzertierte Gegenwerbung, gestaltet durch die besten Leute?

Sollte das in dieser Sendung gepredigte Menschenbild stimmen, dass es unbillig ist, von Menschen zu verlangen, die Verantwortung für die Folgen ihres trieb- oder hormongesteuerten Tuns bzw. Nicht-Tuns zu übernehmen, dann sind diese Menschen hilflos wie Babys, auch noch als Erwachsene; sie bleiben dann ihrem Schicksal, ihren Hormonen und Trieben ausgeliefert. Aber wenigstens darf jetzt keiner mehr laut darüber lachen, sondern nur noch hinter vorgehaltener Hand.

Wäre dann nicht eine Kritik besser, die zwar auch wehtun kann, aber verbunden mit dem optimistischen Glauben an denjenigen, dass er in der Lage sein wird, Hilfe anzunehmen, zu einer tatsächlichen Verbesserung der Lage führt? Ohne Leidensdruck bessert sich kein Mensch, wenn das alte, falsche Verhalten immer noch mit der Befriedigung starker Gelüste verbunden ist.

Aber das ist der ganze Trend dieser Gesellschaft. Für ein individuelles Verhalten, das die ganze Gemeinschaft stört, ihr hohe Kosten auferlegt oder sogar ihre unauffälligen Mitglieder bedroht und verletzt, werden immer emsiger Gründe gesucht und gefunden. Ob das nun das altehrwürdige ADHS ist oder der vorletzte Schrei einer Autismus-Spektrum-Störung oder eben Adipositas. In jedem Fall gilt: Alle diese individuellen Sonderfälle haben ein Menschenrecht darauf, genauso so zu bleiben, wie sie nun einmal sind. Wenn sich einer ändern muss, dann nur „die anderen“, die Normal-Unauffälligen, die es immer weniger gibt und die nun irgendwann auch mal etwas von sich hermachen wollen.

Das ist ein lustiger Wettbewerb in unserer Westi-Welt. Ich war mir sicher, dass die neueste PISA-Studie Deutschland wieder die Quittung dafür erteilt. Und genauso ist es gekommen. Corona gab es auf der ganzen Welt, aber gerade Deutschland stürzt überdurchschnittlich ab und das obwohl wir uns ja noch über eine starke kulturelle Bereicherung aus aller Herren Länder freuen können. Führend sind wieder die wirtschaftsstarken asiatischen Länder (Singapur, China, Japan, Südkorea) mit einer wesentlich „autoritäreren“ Bildungs- und Erziehungspolitik, als sie in Deutschland üblich ist. In Europa führen Estland, die Schweiz und die Niederlande.

Nun wäre es doch einmal sehr interessant, herauszukriegen, wie viele Schüler in den führenden Ländern als durch Autismus und ADHS Beeinträchtigte diagnostiziert wurden. Meine Hypothese: Prozentual viel weniger als in Deutschland, einem Land, in dem die Individualisierung weit fortgeschritten ist. Wir müssten ja gerade deswegen gut sein, weil nicht alle Schüler über „einen Kamm geschoren“ werden, sondern jeder die individuelle Behandlung bekommt, die er braucht.

Frage: Sind die Asiaten irgendwie hirnorganisch anders aufgestellt oder ist es die Erziehung, die (Pseudo)Autisten und anders Beeinträchtigte erzeugt mit ihrer Philosophie, dass das Individuum immer Recht hat (wie dazumal im Osten Deutschlands „die Partei“) und dass, wenn sich einer anzupassen hat, das die Gemeinschaft und der Lehrer wäre, aber nicht das einzelne Ich. Meine Hypothese: In Singapur und China gilt: Das Wir kommt vor dem Ich. Im Westen und besonders ausgeprägt in Deutschland gilt: Das Ich kommt vor dem Wir, allein schon deswegen, weil es gar kein nationales Wir geben darf.

Für mich zeigt sich immer deutlicher, dass der deutsche Weg in die Irre führt und der asiatische zum Aufstieg. Wir müssen es aber wohl erst ganz und praktisch erleben: „Weiter, weiter ins Verderben. Wir müssen leben, bis wir sterben“ singt Rammstein über ein Deutsch-Land, ich wollte sagen: ein Flugzeug im Abendwind.

Komischerweise gibt es hier immer noch ein paar Inseln, die diesem Denken zuwiderlaufen: Wenn zum Beispiel der erbarmungslose „General Winter“ zuschlägt, durfte in einer anderen Zeitepoche schon einmal die Ostfront zusammenbrechen, aber ein Arbeitnehmer darf heute immer noch nicht deswegen zu spät kommen und muss dann Lohnabschläge in Kauf nehmen, wenn es ihm doch passiert. Es läge in seiner eigenen Verantwortung, dann eben rechtzeitiger losgefahren zu sein. Das ist genau die richtige Denkweise. Gilt sie erst einmal, sind heilsame und hilfreiche Ausnahmen immer noch möglich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert