Da passt ja Weihnachten. Was ist romantisch an Weihnachten? Das „Markt und Straße steh’n verlassen,/still erleuchtet jedes Haus“? Ja, aber sind „Markt und Straße“ im Januar nicht auch verlassen und leuchten dann nicht auch die Häuser „still“? Vielleicht nicht jedes.
Und ich glaube, wir Menschen leben im Rhythmus auch der Zeit, zwischen ihrer komprimierten Verdichtung und ihrem gleichförmigen Auseinanderlaufen. Weihnachten ist so eine Zeit der Verdichtung, gar nicht mal so eng verdichtet, wie es vielleicht zu befürchten wäre. Immerhin gibt es neben dem eigentlichen Weihnachtsfeiertag noch den Heilgen Abend und den 2. Weihnachtstag, etwas, was sonst nur noch das Oster- und Pfingstfest zu bieten haben. Und vor allem handelt es sich bei Weihnachten um eine ganze Zeitspanne, um einen Bogen der verdichteten Feierlichkeit sozusagen. Das war mir als junger Mensch nicht klar. Kaum hatte Weihnachten mit dem Heiligen Abend begonnen, war es auch schon wieder fast zu Ende. Heute weiß ich, die Spanne reicht mindestens bis zum Drei-Könige-Tag am 6. Januar. Der Genuss der verdichteten Feierlichkeit ist so viel besser möglich, weil er von der Angst befreit ist, gleich schon wieder vorbei zu sein. Eigentlich beginnt für mich die „Kernweihnachtszeit“ schon mit dem 4. Advent, dem höchsten „Diengrad“ der Advente, immerhin ein 4-Kerzen-Rang. So verlängert sich die Weihnachtsspanne nochmals, nämlich auch nach vorne hin. Ich versuche neuerdings, schon zu diesem Zeitpunkt den Weihnachtsbaum aufzustellen.
Die „gestreckte“ weihnachtliche Romantik gelingt mir tatsächlich nur mit dem Weihnachtsbaum. An seiner Gestaltung zeigen sich Charaktere wie bei jeder Art des Schmückens, einschließlich des Schminkens. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig, mehr silbern, bunt oder golden und die Kerzen, die bei mir elektrisch sein müssen, weil ich zu oft und zu lange ihr Leuchten genießen will. Einmal wollte mir eine Haushaltshilfe einen Gefallen tun und hatte ihn ohne mein Wissen abgebaut, als ich ein paar Tage nicht zu Hause war. Das war zwar schon nach der weihnachtlichen Zeitspanne, aber trotzdem für mich eine Katastrophe: Ich konnte mich doch gar nicht von ihm verabschieden, sagte ich ihr vorwurfsvoll. Das ist wohl Romantik, oder?
Was der weihnachtlichen Romantik für mich kontraproduktiv entgegensteht, ist laute Geschäftigkeit. Einzige Ausnahme: Kleinere Kinder, die ihrer Freude über die weihnachtliche Feierlichkeit, das Zusammenkommen der Familie und ihre Geschenke so Ausdruck verleihen. Kleinere Kinder sind eine wesentliche Zutat für das Weihnachtsgefühl, sofern sie mit einer Vielzahl sich gegenseitig neutralisierender Geschenke nicht überhäuft wurden, sondern die Schenkenden ihre Zeit mit geschenkt haben, sich mit den Kleinen zu beschäftigen, bzw. genug Kinder da sind, die das gegenseitig und miteinander tun.
Leise Innerlichkeit – das Gegenteil von äußerer Geschäftigkeit – kann ich gut beschreiben, wenn ich in eines meiner Lieblingsbücher hineinschaue, in Goethes Faust. Er kommt von einer Wanderung zurück („Verlassen hab ich Feld und Auen,/Die eine tiefe Nacht bedeckt“) in seine Kammer:
„Ach wenn in unsrer engen Zelle/ Die Lampe freundlich wieder brennt,/ Dann wird’s in unserm Busen helle,/ Im Herzen, das sich selber kennt./ Vernunft fängt wieder an zu sprechen,/ Und Hoffnung wieder an zu blühn;/ Man sehnt sich nach des Lebens Bächen,/ Ach! nach des Lebens Quelle hin.“
Die Sehnsucht nach dem Großen und Ganzen und seinem Ursprung aus der engen, gemütlichen Stube heraus. Was für ein Widerspruch! Ein gar weihnachtlicher offenbar und vielleicht. Er begegnet mir nochmals im schon eingangs zitierten Gedicht „Weihnachten“ von Joseph von Eichendorff. Dort heißt es in den letzten beiden Strophen:
Und ich wandre aus den Mauern/ bis hinaus ins freie Feld./ Hehres Glänzen, heil’ges Schauern,/ wie so weit und still die Welt!
Sterne hoch die Kreise schlingen;/ aus des Schnees Einsamkeit/ steigt’s wie wunderbares Singen. -/ O, du gnadenreiche Zeit
Uta Ranke-Heinemann hätte sich über diese Geschichte sehr gefreut. Sie hat sie erheblich drastischer immer wieder erzählt und das im katholisch geprägten WD und als Professorin für Katholische Theologie (o.s.ä.)
Lieber Herr Fähndrich, ich vermute, Sie wollten diesen Kommentar zu dem darüber stehenden Beitrag von Meta „Maria erzählt“ schreiben. Kann das sein?