Kommasetzung – Neunmalklugheit schlägt Bauchgefühl

Kommt Ihnen die folgende Kommaregel spanisch vor: Wo man Luft holen muss, gehört ein Komma hin?

Stimmt, die gibt es gar nicht, dennoch ist es die im Deutschen am häufigsten praktizierte Regel. Im Spanischen gibt es diese Regel übrigens auch nicht, dafür aber eine leicht überschaubare Reihe von Kann-Bestimmungen, die die Gliederung längerer Sätze mehr oder weniger der Intuition des Sprechers/Schreibers überlässt – mit der Folge, dass die korrigierende Lehrperson oder das elektronische Korrekturprogramm dort kaum falsch gesetzte oder vergessene Kommas zu monieren hat.

Warum machen wir es uns im Deutschen mit den Kommaregeln so schwer? Kurz gesagt, weil wir die Sätze nicht in erster Linie nach Inhalt und Satzmelodie gliedern, sondern uns streng auf ihre interne Logik und damit auf die syntaktischen Strukturen beziehen – und diese zu durchschauen setzt eine ganze Menge Fachwissen voraus.

Aus der Perspektive der Logik ist die Sache eigentlich ganz einfach, denn man kann die in 9 Paragrafen mit insgesamt 33 Unterpunkten festgehaltenen Kommaregeln ganzen drei Denkfiguren zuordnen: Das Komma trennt

a) Gleichrangiges,

b) Ungleichrangiges und

c) Hinzugefügtes bzw. Hervorgehobenes.

Man könnte meinen, die Probleme häufen sich unter b) und c), aber das Gegenteil ist der Fall. Kaum jemand hat Schwierigkeiten, das Komma zwischen ungleichrangigen Teilsätzen zu setzen, also zwischen Haupt- und abhängigem Nebensatz oder zwischen Nebensätzen unterschiedlichen Grades. (Beispiele: „Hans erschrak, als er plötzlich angesprochen wurde.“ „Ich weiß nicht, woher ich den Mann kenne, der gestern nebenan eingezogen ist.“). Nur bei bestimmten Sonderfällen wie dem erweiterten Infinitiv mit „zu“, der ja ein Zwischending zwischen Wortgruppe und Nebensatz ist, gibt es gelegentlich Irritationen.

Auch (nachträglich) hinzugefügte, eingeschobene, hervorgehobene Informationen werden quasi instinktiv korrekt vom Rest des Satzes durch Komma getrennt. (Beispiele: „Du darfst meinem Kollegen, diesem alten Angeber, nicht alles glauben.“ „Sie war erkrankt, und zwar ziemlich schwer.“ „Er liebte klassische Musik, besonders Mozart.“ „Er verließ, ein letztes Mal winkend, den Bahnsteig.“)

Probleme bereitet ausgerechnet die Kommasetzung zwischen gleichrangigen Teilen des Satzes. Zwar sind die Teilsätze einer Satzverbindung nur selten betroffen (meistens zwei zusammengehörige Hauptsätze, Beispiel: „Er ging spazieren, sie ging einkaufen.“) und auch mehrteilige Angaben machen kaum Schwierigkeiten (wie z.B. Orts- und Zeitangaben: „Obergeschoss, 6. Stock, Zimmer 5″ oder „übermorgen, 16. Juni, Punkt 8.00 Uhr“), aber ausgerechnet im Haupteinsatzgebiet für Kommas, der klassischen Aufzählung, häufen sich die Fehler. Das wollen Sie gar nicht glauben, denn aufgezählte Wörter voneinander durch Komma zu trennen, das kann doch wohl jeder, meinen Sie? Wörter schon, aber was ist mit größeren Einheiten?

Aufgezählt werden können nämlich auch Wortgruppen, die gern als ganze Satzglieder (also als Subjekte, Objekte, Adverbialbestimmungen) daherkommen, wobei das Komma nur Satzglieder der gleichen Art voneinander trennen darf.

(Beispiele: „Fernab der Heimat, in dieser unbekannten Stadt, mitten im geschäftigen Getümmel der Einkaufsmeile fiel ihm plötzlich ein…“ – 3 Lokalbestimmungen hintereinander. „Sie liebte dieses fast schon mediterran zu nennende Wetter, den lauen Wind, das Treiben der tatsächlich kleinen Schafen ähnelnden Schäfchenwolken, die durch milden Dunst ihren Weg sich bahnenden Sonnenstrahlen, …“ – 4 Objekte hintereinander).

Im letzten Beispiel habe ich die Wortgruppen absichtlich überfrachtet, um zu zeigen: Da juckt es einen schon mal in den Fingern, zwischendurch noch ein weiteres Komma zu setzen – aber da gehört kein weiteres hin. Es sei denn, in eines der Satzglieder ist eine Aufzählung integriert (z.B. „den lauen, nur manchmal leicht auffrischenden Wind“).

Zwischen aufeinander folgenden Satzgliedern unterschiedlicher Art gehört, wie gesagt, kein Komma, selbst dann nicht, wenn sie bis zum Geht-nicht-Mehr ausufern und es einen noch mehr in den Fingern juckt als vorhin. (Beispiel: „Mit geradezu penetranter Regelmäßigkeit schuf der Dichter der Dreigroschenoper immer wieder neue Varianten seiner den bildungsbürgerlichen Geschmack herausfordernden mütterlichen oder dem Beruf der Hure nachgehenden Frauengestalten.“)

Andererseits müssen in einem Satz selbst kürzeste Wortgruppen, Satzglieder und Sätze (bei Satzverbindungen) jeweils durch Komma getrennt werden, wenn sie ungleichrangig sind. Wenn dann auch noch innerhalb der Satzglieder Aufzählungen stattfinden, kann man schon mal ins Grübeln kommen, ob so viele Kommas noch sinnvoll sind. (Beispiel, auf die Spitze getrieben: „Was mich wundert, ist, dass die beiden, also er, der es doch besser wissen müsste, und seine Frau, die nun mal so ist, wie sie ist, diese gefährliche, unüberlegte Dummheit mitmachen, ja, sogar propagieren.“)

Fazit: Ein Regelwerk, für das man, um es zu durchschauen, am besten Linguistik studiert haben sollte, gibt vielleicht Oberstudienräten ein Gefühl von Überlegenheit, den normalen Sprachbenutzern jedoch manchmal unlösbare Rätsel auf. Ob das wohl Sinn der Sache ist?

 

 

 

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