… stände er in der Ecke des Schulhofs und seine – angeblichen – Freunde setzen ihn unter Druck: Er soll endlich mit- und nicht sein eigenes Ding machen. Die eigene Sprache hat er schon weitgehend aufgegeben, er spricht den angesagten „Slang“ (Zungenschlag) derer, die auf dem Schulhof das Sagen haben.
Nur ein Junge, ein Schweizer, geht ruhig seinen eigenen Weg. Er lässt sich nicht vom Geschreie der anderen aus der Ruhe bringen. Er soll sein Taschenmesser hergeben, um einen aggressiven Raufbold, der auf dem Schulhof eine Schlägerei begann, zur Raison zu bringen. Dieser Junge ist außer sich vor Wut: Er schlägt auf seinen Cousin und ehemaligen Busenfreund ein, der sich von ihm abgewandt hat. Andere Jungs, die den angegriffenen Jungen jetzt beim Kämpfen anfeuern und ihn mehr oder weniger heimlich unterstützen, hatten ihm gesagt: Komm‘ auf unseren Hof, da kannst du viel freier spielen und dich persönlich entfalten, außerdem gibt es besseres Spielzeug und unsere Schokolade schmeckt auch viel besser. Dem konnte er nicht widerstehen, er hat sich von seinem alten Busenfreund getrennt, was dieser wiederum nicht verkraftet.
Eine verfahrene Situation. „Keine Gewalt!“ wäre schon einmal die erste Lösung. Aber wie setzt man sie durch? Nur mit Gegengewalt? Oder sollte man dem frustrierten Jungen, der sich verraten und verlassen fühlt, nicht auch Angebote machen, um seine Enttäuschung zu mindern?
Der schweizer Junge jedenfalls bleibt konsequent seinen Lebensprinzipien treu: Gewalt bekämpft man nicht, indem man sich an ihr auf einer Seite beteiligt. Im Gegensatz dazu bestimmen Denkverbote und Denktabus die Diskussion hier in Deutschland: Wir können uns nicht heraushalten wie die Schweiz! Warum nicht? Das ginge eben nicht, widerspreche unserer historischen Verantwortung.
Wieso soll ein Land, das einen Weltkrieg begonnen hat, den zweiten (der allerdings eine Folge des 1. war), und Mitverursacher eines anderen, des ersten, war, nicht sagen: Es reicht? Gewalt darf kein Mittel der Politik mehr sein. Warum soll Deutschland nicht mit der Schweiz und Österreich einen Dreierbund der Neutralität und Ruhe in Europa bilden, zu einer multipolaren Welt beitragen, die eigene Sprache und Kultur retten? Wieso soll es nicht nur Erfüllungsgehilfe, Juniorpartner, der führenden Weltmacht sein, sondern – wieder – ein eigener Faktor (Pol) der Geschichte und diesmal ein besserer werden? Das wäre immerhin und auf jeden Fall ein Beitrag zur in Deutschland viel beschworenen Diversität: Neben die USA und China treten, anstatt sich einem von beiden zuzuordnen, ein weiterer kultureller Faktor mit einem eigenen politisch-kulturellen Stil werden, wie er sich schon einmal kurz gezeigt hatte, als Deutschland „Friedensmacht“ war.
Das geschah, als es sich unter Gerhard Schröder dem völkerrechtswidrigen Irak-Krieg, den die USA mit lügnerischen Behauptungen vom Zaun gebrochen hatte, verweigerte. (Angeblich würde der Irak unter Saddam mit gefährlichen Chemiewaffen die Welt bedrohen. Diese mit falschen Satellitenaufnahmen gestützte Behauptung hat sich später als Lüge erwiesen, freundlich gesagt: als Irrtum.)
Natürlich gäbe es neben den deutschsprachigen Ländern noch weitere wichtige politisch-kulturelle Faktoren: einen französischen zum Beispiel, einen russischen, spanisch(sprachig)en, italienischen oder skandinavischen und auch in Asien gibt es mehr als nur China, Japan und Indien und natürlich auch afrikanische und südamerikanische Länder. Wichtig ist, dass die Länder solche (kleinen) Verbünde bilden, die von ihrer Mentalität her zusammenpassen, etwas, das in der gegenwärtigen Europäischen Union nicht gegeben ist. Diese politisch-kulturellen Pole sollten dann auch offen sein für weitere Länder, die sich zugehörig fühlen.
Hochgesponnen, tief versonnen. Natürlich, das sind vollkommen utopische Gedankengänge auf dieser kleinen, feinen Webseite. Sehr „eigenes“ Denken eben. Ich weiß, was sich alles dagegen sagen lässt. Ich bitte darum, sozusagen „spaßeshalber“ erst einmal zu bedenken, ob auch etwas dafür sprechen könnte und was das wäre. Die Denkleistung besteht nicht darin, das Übliche festzustampfen, sondern sich daraus wieder hervorzukämpfen, aus den festgefügten Blöcken der Gedanken herauszutreten. Das ist in einer monopolaren Welt nötig, die sich immer mehr anglifiziert bzw. in einer bipolaren, die sich spreizt zwischen der anglo-amerikanischen Kultur, Lebens- und Denkweise und der chinesischen. Das kann doch nicht alles sein und bleiben und werden.
Vergleiche hinken, vor allem zwischen der großen Politik und dem alltäglichen, privaten Leben. Das weiß ich selbst. Aber Sie regen auch das Denken an, hoffe ich. In diesem Fall heiligt vielleicht wirklich mal der Zweck die (sprachlichen) Mittel.
Siehe auch meine Antwort auf den Kommentar des „zufälligen Besucher“ zu meinem Beitrag Der Leopard würde den Kampfeswillen der Russen anfachen.