Was bin ich: Gewinner oder Versager?

Ürsprünglich sollte die Überschrift mit „Enttäuschung macht sich breit (2)“ beginnen, und ich wollte auf den Teil 1 mit dieser Überschrift verweisen. Aber ich war darin zu sehr in die alten nationalen Rinnen meines Denkens abgerutscht. Jetzt soll es persönlicher werden.

„Versager“, „Verlierer“? Wenn ich mich bei meinen Zeitgenossen und Landsleuten verständlich machen möchte, müsste ich ja eher sagen: „Lost Pörsin“. Schon wieder droht das Abrutschen. Schnell weiter mit mir persönlich als einzelner Mensch:

Komischerweise ist meine Stimmungslage in diesen Tagen und Wochen so, dass ich mich mehr für einen Versager halte, für eine „verlorene Person“, als für einen Gewinner. Und das obwohl ich grundsätzlich Optimist bin.

Was habe ich geschafft in meinem Leben, was ist mir gelungen? Das Wichtigste im Leben ist die Liebe: Werde ich geliebt und liebe ich? Und das möglichst zuerst und ganzheitlich bezogen auf Menschen.

Die Lebenspartner, die ich geliebt hatte und mit denen ich einige Jahre zusammenlebte, konnte ich nicht halten. Das empfinde ich als eine Niederlage. Ich habe eine neue Lebenspartnerschaft – kann diese das alte Verloren-Haben wett machen? Oder zeigen sich in ihr sogar die alten Muster des Scheiterns?

Die Liebe zu den Enkeln ist ein spezielles Kapitel.

Aber der konkrete Anlass für diesen Beitrag ist mein Nachdenken über das Bestehen oder Scheitern einer Freundschaft. Hat es Sinn, meinen alten Lebensfreund zu meinem Geburtstag einzuladen? Was hat uns verbunden, was verbindet uns noch? Worüber können wir sinnvoll reden?

Über Stahl Brandenburg, über Sex im Alter, über das Wetter? Du weigerst Dich, mit mir über das zu reden – und die mir gemäße Form des Redens ist zuerst das Schreiben – , was mich berührt, was mir nahegeht: über die Philosophie der großen Linien des Lebens, früher, heute und immer, über Deutschland, über die Liebe und über das Nachdenken selbst. Es kommt kein diesbezügliches Gespräch zustande, kein schriftliches, wie es mir besonders behagen würde. Das Traurige daran ist ja, dass das ein Muster ist, das ich schon von Meta kenne.

Eine Erklärung für viele Zerwürfnisse, nicht nur für dieses, ist die unterschiedliche Erkenntnisweise. Ich bin ein ausgeprägt synthetischer Typ, einer, der zuerst die langen großen Linien sieht. Du bist offenbar zuerst ein analytischer Typ, der sich am Erkennen neuer Einzelheiten freut, der „kurzen“ auffälligen Linien, eher funkelnde Punkte, die für Dich gerade Neuigkeitswert gewonnen haben. Du nennst das dann die „Neugierde“, die Dein Denken und Wahrnehmen ausmachen würde.

Von dieser Langgezogenheit kommt auch meine Orientierung auf die Vergangenheit, auf die vergangenen Schichten des Lebens („Geschichte“), während Du mir eher „punktgenau“ auf die Gegenwart ausgerichtet zu sein scheinst. Wobei: Wir haben beide ein ausgeprägtes Interesse an der Zukunft. Also ist auch Dein Denken nicht nur punktgenau, sondern auch langgezogen. Wir lassen uns nicht so leicht in Schubladen einsortieren (wie kein hochkomplexes System), trotzdem sehe ich schon die beschriebenen unterschiedlichen Tendenzen in unserer Denkart.

Früher hatten wir gedacht, ich wäre in Hermann Hesses Sinn eher der Narziß-Typ, der die Welt geistig gliedernde Nachdenker, und Du wärst eher der Goldmund, der die Welt als „wabernde“, sich in Undeutlichkeiten zerfasernde Ganzheit emotional-künstlerisch erlebt, mehr dunstig, milchig, nebelig als klar konturiert, mehr die fließenden Übergänge zeigend als die deutlichen Linien. Wahrscheinlich ist es eher genau andersherum: Der Analytiker bist Du und der das große Ganze Sehende bin ich. Bin ich also in Wirklichkeit der blonde Jüngling, und Du bist der eher dunkel-abstrakte Denker und Aufspalter des Ganzen in (natur)wissenschaftlich beschreibbare eindeutige Einzelheiten?

Aber andererseits bist Du wahrscheinlich künstlerisch-emotionaler als ich, das zumindest in musikalischer Hinsicht. Oder ich bin auch ganzheitlich musikalisch so wie Du, kann das bloß nicht – sozusagen handwerklich – ausdrücken, handhaben? Melodien, besonders melancholische, gehen mir tatsächlich öfter durch den Kopf wie ein ideeller Hauch des Lebens, den ich aber nicht materialisieren kann, weil ich weder ein Musikinstrument besitze, noch fleißig genug bin, lernen wollen zu können bzw. können zu wollen, es zu benutzen, nicht einmal fürs Erste im Amateur-Modus.

Wie dem auch sei. Lieber Berthold, bitte setze mit mir das Gespräch auf dieser Seite fort, das wir miteinander im Entwurfsstadium zu unseren Lebenslinien begonnen haben. Das ist mal etwas, was ich kann und will. Das wäre mal eine Materialisierung, die weiter führt, die hilft – jedenfalls mir und das dafür dann umso mehr.

3 Kommentare zu “Was bin ich: Gewinner oder Versager?”

  1. Marlen sagt:

    Lieber Karl,

    wenn jemand deine Schreiblust nicht mit dir teilen kann oder will, hat das ganz sicher nichts mit Zuneigung oder Wertschätzung dir gegenüber zu tun. Vielleicht sind es nur Ressentiments gegenüber deinen Beiträgen, die immer sehr durchdacht und äußerst anspruchsvoll daher kommen, sowohl vom Inhalt her als auch in der Gestaltung.

    Nicht jedem geht so etwas leicht von der Hand, und nicht jeder möchte sich, besonders im reifen Alter, mit einem Profi messen. Ich gehe da mal von mir aus… Wenn demnächst Stefan Raab gegen Regina Helmich boxt, ist das ähnlich. Doch da geht es um einen Schaukampf und um viel Geld.

    Freundschaft und Liebe basieren ja immer auf Gegenseitigkeit; beide gewinnen, wenn sie sich finden, beide verlieren, wenn die Beziehung scheitert. Wenn du aber das Scheitern auf deine Schultern lädst und mit in die neuen Verbindungen nimmst, belastest du damit euch beide. Da solltest du loslassen können, um vorurteilsfrei neu zu starten. Niemand bleibt immer auf der Verlierer- oder Siegerseite, es sei denn, er stellt sich selbst dahin.

    Ich vermute, dein Anspruchsdenken an dich und andere ist sehr hoch, für andere vielleicht so hoch, dass sie dir nicht folgen können oder wollen. Dann ist das aber kein Scheitern, lege die Latte etwas tiefer, dann hast du vielleicht mehr Mitstreiter.

    Ich wünsche dir, dass du dich so magst, wie du geworden bist, mit deinen Stärken und Schwächen. Aus meiner Sicht hast du dem Leben eine Menge abgewonnen, dabei natürlich auch Fehler gemacht. Die solltest du dir verzeihen, deine Mitmenschen werden dich dafür lieben.
    Und deinen Lieblingsmenschen solltest du ebenso begegnen. Dann klappt es bestimmt auch mit der Liebe und der Freundschaft!

    Ich halte dir die Daumen.

  2. Berthold sagt:

    Lieber Karl,

    ich habe deinen Text mit großem Interesse und auch etwas Traurigkeit gelesen. Es berührt mich, dass du dich als „Versager“ empfindest, obwohl du so viele wertvolle Erfahrungen und Beziehungen in deinem Leben gehabt hast. Ich verstehe, dass die Herausforderungen in der Liebe und Freundschaft schwer wiegen können, und ich möchte dir sagen, dass ich deine Gefühle nachvollziehen kann.

    Auch ich habe meine eigenen Befindlichkeiten, die mich beschäftigen. Manchmal fühle ich mich in meinen Beziehungen nicht so verwurzelt, wie ich es mir wünsche. Die Suche nach tieferem Verständnis und emotionaler Nähe ist auch für mich eine Herausforderung. Ich habe oft das Gefühl, dass ich mich in der Flut von Informationen und neuen Eindrücken verliere und Schwierigkeiten habe, die wichtigen, langfristigen Themen zu erfassen, die du so eloquent beschreibst.

    Was uns verbindet, ist vielschichtig, und ich denke, dass wir beide in unserer Art zu denken und zu fühlen zwar unterschiedlich sind, aber auch viel voneinander lernen können. Deine Fähigkeit, die großen Linien des Lebens zu sehen, ist für mich inspirierend. Ich schätze deine philosophischen Überlegungen und die Tiefe, die du in unsere Gespräche bringst.

    Es tut mir leid, wenn es in der Vergangenheit zu Missverständnissen oder oberflächlichen Gesprächen gekommen ist. Vielleicht liegt es daran, dass ich oft in der Gegenwart verhaftet bin und mich an neuen Details erfreue. Aber ich bin bereit, mich auf tiefere Themen mit dir einzulassen. Lass uns versuchen, die Themen zu finden, die uns beide wirklich bewegen – über die Liebe, die Vergangenheit und die Philosophie des Lebens.

    Ich freue mich auf den Austausch und darauf, unsere Gespräche zu vertiefen. Es ist mir wichtig, mit dir über das zu reden, was uns wirklich beschäftigt, und ich hoffe, dass wir uns gegenseitig unterstützen können, während wir unsere eigenen Herausforderungen angehen.

    Herzliche Grüße,
    Berthold

    1. Karl sagt:

      Wunderbar! Das macht mich glücklich. Dann nimm‘ bitte den Zugang „Berthold und Karl“ und setze dort das Gespräch über unsere Lebenslinien im Entwurfsstadium fort. Ich antworte dann darauf, und wir können Teil 1 unseres Gesprächs veröffentlichen.

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