Wenn im Juli 1944 das Staufenberg-Attentat auf Hitler gelungen wäre /1/, hätten die Briten und US-Amerikaner trotzdem die bedingungslose Kapitulation Deutschlands durchgesetzt, sie hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit das damalige „Ostdeutschland“ mit Preußen und Schlesien von Deutschland abgetrennt, um es ein für alle Mal zu schwächen. Zu oft war Deutschland den Westmächten auf den Fersen und hatte sie alle, außer die USA, überholt.
Verrückterweise ist es aber wieder so: Deutschland liegt vor Großbritannien und Frankreich. Neu haben sich China und Japan nach den USA, aber noch vor Deutschland eingereiht. (Beim 3. Platz in der Welt gibt es ein Hin und Her zwischen Japan und Deutschland.)
Die Hauptkosten für den Verteidigungskrieg der Ukraine gegen Russland trägt Deutschland. Die USA lassen sich ihre Waffenlieferungen zumeist bezahlen, auch von der EU, also größtenteils mit Geld aus Deutschland, und sie achten strikt darauf, dass die Ukrainer zuerst Waffen aus den USA kaufen, bevor sie, wenn diese nicht reichen, auf europäische, insbesondere deutsche, zurückgreifen. /2/
„Ich war noch niemals in New York“, sagte die Bombe. „Und ich war noch niemals in zerrissenen Jeans in San Francisco“, fügte der Marschflugkörper hinzu.
Kann es sein, dass das ein Grund ist, warum die US-Amerikaner so brutal und rücksichtslos in ihrer Kriegsführung, auch und gerade gegenüber Zivilisten, sind? Sie haben einfach nie erfahren, jedenfalls nicht im eigenen Land und auf dem eigenen Boden, wie furchtbar ein Krieg ist. Das ist ein naheliegender Gedanke, er trifft aber nicht für alle Anglo-Amerikaner zu: Die Briten haben selbst Luftangriffe erlebt, wenn auch in einer völlig anderen, viel geminderteren Dimension als die Deutschen.
„Mindestens eine halbe Million Zivilisten verloren im Bombenkrieg gegen das Dritte Reich ihr Leben.“ Umgedreht gab es im gesamten 2. Weltkrieg ca. 62.000 zivile Kriegstote in Großbritannien. Oder Dresden – Coventry als oft genannte Einzelbeispiele: Offizielle Opfer des Bombardements von Dresden im Februar 1945: 25.000 Tote – in Wirklichkeit viel mehr. Offizielle Opfer des deutschen Bombenangriffs auf Coventry: 400 – 600, wobei man dann noch bedenken kann, was der britische Historiker Richard Overy in seinem Buch „Der Bombenkrieg“ ausführt.
Jedenfalls hatte Boris Johnson – der ehemalige Premierminister des Vereinigten Königsreiches, ein Demokrat vor dem Herrn – dem ukrainischen Präsidenten Selenski am 9. April 2022 erklärt, dass „der Westen“ das Ergebnis der Verhandlungen in Istanbul nicht akzeptieren könne. Sinngemäß: Die Ukraine solle sich auf keine faulen Kompromisse einlassen, sondern weiter kämpfen bis zum „Endsieg“. (Siehe dazu den sehr anhörenswerten Vortrag „Eiszeit-Eisenzeit“ von Gabriele Krone-Schmalz.) Russland müsse ein für alle Mal wirtschaftlich und militärisch so geschwächt werden, dass es nie wieder eine Krieg beginnen könne. (Das kommt mir irgendwie bekannt vor.)
Selenski fordert heute immer wieder ultimativ vom Westen Waffen und Munition. Das kann er – er muss nicht bitten -, weil „der Westen“ im April 2022 ja genauso ultimativ gefordert hatte, dass es keine Kompromisse mit Putin geben dürfe. Wenn Ihr – der Westen – wollt, dass wir weiter kämpfen, dann versorgt uns auch gefälligst mit den dazu erforderlichen Waffen, und die Briten liefern ja auch Marschflugkörper, die Deutschland den Ukrainern vorläufig noch versagt. Das ist diese Mentalität des Alles-oder-Nichts, die schon Winston Churchill in seiner berühmten „Blut, Schweiß und Tränen“-Rede am 13. Mai 1940 in London offenbart hatte:
„Sie fragen: Was ist unser Ziel? Ich kann es Ihnen in einem Wort nennen: Sieg – Sieg um jeden Preis. Sieg trotz allem Schrecken, Sieg, wie lang und beschwerlich der Weg dahin auch sein mag, denn ohne Sieg gibt es kein Weiterleben.“
„Wir werden an den Stränden kämpfen, wir werden an den Landungsplätzen kämpfen, wir werden auf den Feldern und auf den Straßen kämpfen, wir werden in den Hügeln kämpfen. Wir werden uns niemals ergeben“ – mit meinen Worten: Wir wollen den totalen Sieg.
Die Wikipedia-Autoren haben ganz recht: „Damit machte er auch gegenüber Abgeordneten, die den Beginn von Friedensverhandlungen forderten, klar, dass es unter seiner Führung keine Friedensverhandlungen geben würde.“
Joseph Goebbels hatte am 18.2.43 mit seiner Rede im Berliner Sportpalast Churchills Rhetorik aufgegriffen:
„Die Engländer behaupten, das deutsche Volk wehrt sich gegen die totalen Kriegsmaßnahmen der Regierung. Es will nicht den totalen Krieg, sagen die Engländer, sondern die Kapitulation. Ich frage euch: Wollt ihr den totalen Krieg? Wollt ihr ihn – wenn nötig – totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt erst vorstellen können?“
Jetzt wissen Sie, warum es nicht so schnell zu einem Frieden in der Ukraine kommen wird: Die Entschlossenheiten, Krieg zu führen, ähneln sich zu sehr, obwohl ich sagen muss, dass Russland im März/April 2022 ja bereit war, das in Istanbul bereits paraphierte Abkommen mit der Ukraine zu unterschreiben. Russland hat keiner „zurückgepfiffen“, sehr wohl aber der Ukraine geschah dies. Und wer war es? Der friedliebende Westen. Kriegsverbrechen, die die Russen in Butscha, einem Vorort von Kiew, begangen hatten, wurden als Vorwand dafür benutzt. Kommt es erst einmal zu einem heißen, erbitterten Krieg, gehören Kriegsverbrechen auf beiden Seiten leider immer dazu. Wer Kriegsverbrechen verhindern will, muss den Krieg verhindern.
Sie, liebe Leser, sollten auch einbeziehen, was ich schon geschrieben hatte, wie Deutschland und der Westen insgesamt reagieren würden, wenn zum Beispiel Österreich plötzlich erklären würde, zu einer russischen Föderation gehören zu wollen. Schließlich ist es ein freies Land, und jede Nation muss selbst entscheiden dürfen, zu welchem Bündnis sie gehören will.
Fußnoten
/1/ Geschichte verläuft in ihren Kleinigkeiten oft tragisch-kurios. Claus Graf Schenk zu Stauffenberg war verständlicherweise sehr nervös, als er mit einer lädierten Hand, der Finger fehlten, in einer Toilette der Wolfsschanze das erste von zwei Sprengstoffpaketen scharf machte. Es klopfte an der Tür, sein Erscheinen bei der Beratung mit dem „Führer“ wurde eingefordert. Er schaffte es nicht mehr, das zweite Sprengstoff-Packet ebenfalls mit einem Säurezünder zu versehen. Und jetzt passiert der rätselhafte Fehler, der die Weltgeschichte beeinflusst hat: Der erfahrene Frontoffizier legt das zweite Sprengstoff-Paket, das er nicht auch noch scharf machen konnte, nicht mit in die Aktentasche, die er dann im Besprechungszimmer in der Nähe von Hitler stehen ließ. Er glaubt, dass die eine Packung reichen müsste, Hitler zu töten. Es sind ja auch mehrere andere Teilnehmer der Beratung umgekommen. Er vergisst im unglaublichen Stress der Todesangst einfach, dass es reicht, ein Paket scharf zu machen, das andere explodiert dann mit, wenn das erste hochgeht. Hitler wäre tot gewesen. Und obwohl es britisch-amerikanische Denkweise war, mit den Deutschen, diesen Barbaren und Nazi-Untermenschen, keinerlei Kompromisse einzugehen, sondern auf den totalen Sieg zu bestehen, wäre ohne Hitler der Krieg doch anders weitergegangen. Mit Hitler sind vom Sommer 1944 bis zum Kriegsende noch einmal mehr Menschen umgekommen als in den ganzen Kriegsjahren zuvor.
/2/ Selenski hatte sich und seine Landsleute immer wieder gefragt, warum Biden bloß die Trumpfkarte nicht ziehen würde, dass die Ukraine-Unterstützung ein Riesengeschäft für die Rüstungsindustrie der USA ist, um die Blockade der Finanzierung im Repräsentantenhaus und dem Senat zu beenden.