… schützt vor Betrug.
Bevor ich Meta auf ihren letzten Beitrag antworte, liegt mir dieses Thema noch auf dem Herzen, auch weil die Masche von Telefonbetrügern, die sich als Mitarbeiter von Europol ausgeben, gerade grassiert. Mich hat auch so einer angerufen. Er wollte englisch mit mir reden. Meine erste und einfache Reaktion: „Ich spreche kein Englisch“ und aufgelegt und fertig.
Viele meiner Landsleute haben dieses Selbstbewusstsein offenbar nicht. Sie sind obrigkeits- bzw. zeitgeisthörig und lauschen ehrerbietig auf das, was der Mensch in der „Herrensprache“ spricht. Ihr persönlicher Ehrgeiz sagt ihnen: Ich muss doch in der Lage sein, so ein bisschen Englisch zu verstehen.
Nein, musst du nicht. Du bist ein Bürger der bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Nation der Europäischen Union, die die EU maßgeblich finanziert. Dann werden doch wohl die Institutionen dieser Gemeinschaft sich neben Englisch und Französisch auch der deutschen Sprache bedienen können. Wer bezahlt, der bestimmt. Gilt das nicht mehr?
Spricht ein Vertreter einer europäischen Institution mit mir nicht deutsch, hat er Pech gehabt. Ich jedenfalls werde nicht den deutschen Streber und Besserwisser herauskehren und mit ihm auf Englisch radebrechen. Er hat Pech gehabt und ich Glück, weil ich so von vornherein nicht auf einen Trickbetrüger hereinfallen konnte.
„Wer zahlt, schafft an“ – aber wer zahlt denn?
Für manchen Bundesbürger reicht es schon aus, nach einem Blick auf die jährlich an die EU abzuführende Summe empört auszurufen: Wir sind die Zahlmeister der EU! Was für eine Milchmädchenrechnung! Sogar das „manager magazin“ kann nicht umhin, die Tatsache, dass Deutschland der größte Nettoeinzahler in der EU ist, Jahr für Jahr mit der Aussage zu ergänzen: Aber Deutschland ist als Exportweltmeister auch einer der größten Profiteure. Darüber, wem der Profit in welchem Maße zugute kommt, handelt das Managermagazin auch. Zieht man aus den Zahlen und Fakten Schlussfolgerungen, so stellt sich heraus: In Deutschland bleibt der Zahlmeisterjob vor allem an denjenigen hängen, die am wenigsten profitiert haben.
Zu dieser Mehrheit gehört auch Karl. Und wie wehrt er sich gegen die beklagte Ungerechtigkeit? Er stampft trotzig mit dem Fuß auf und ruft: „Nicht mal unsere Sprache sollen wir noch sprechen dürfen.“ Er konzentriert sich also auf einen Nebenkriegsschauplatz. Nicht, dass ich diesen Schauplatz für unwichtig hielte, ganz im Gegenteil, aber so exzessiv und einseitig wie Karl das Thema traktiert, liefert er nur Anlässe, seinen Gerechtigkeitssinn infrage zu stellen: Sollte das Selbstbewusstsein einer Nation so unmittelbar von der Wertschätzung für ihre Sprache abhängig sein und die Wertschätzung der Sprache wiederum so unmittelbar von ihrer Wirtschaftskraft? Müssen sich Länder, deren Muttersprache keine Weltsprache ist, mit einem „Pech gehabt“ begnügen? Ist die Anstrengung kleinerer Länder mit einer weniger verbreiteten Sprache (Beispiel Ungarn), fremde Sprachen möglichst gut zu beherrschen, ein Zeichen ihrer Hörigkeit gegenüber den Großmächten und dem Zeitgeist – oder nicht doch eher ein Zeichen von Souveränität und hohem Kulturniveau?
Liebe Meta, darauf, dass der streberhafte Ehrgeiz, Englisch zu können, zu gelungenen Betrugsmanövern beiträgt, bist du gar nicht eingegangen. Wer selbstbewusst bei sich bleiben kann, wenn eine Institution etwas von ihm will – und nicht umgedreht – , vermeidet ein Ausgetrickst-Werden. Ich vermute, dass der Hauptgrund für tragische „Unfälle“ dieser Art ist, zu viel gelten zu wollen, zu denken, zu viel vorweisen zu müssen.
Das gilt fürs ganze Leben, zeigt sich aber hier exemplarisch. Ca. 100 Millionen Menschen sprechen in der EU Deutsch als Muttersprache, neben Deutschland ist in vier weiteren EU-Ländern Deutsch Amtsprache, zumindest mit anderen zusammen (Österreich, Italien, Dänemark, Luxemburg; mit der assoziierten Schweiz sind es fünf). Englisch ist die unangefochtene Weltsprache, aber sie ist Amtssprache in nur einem EU-Land, in Malta, neben maltesisch. Das sind ungefähr eine halbe Million, die in der EU Englisch als Muttersprache sprechen.
Deutschland hat 2021 netto 21,4 Milliarden mehr in den EU-Haushalt eingezahlt, als es erhalten hat, fast doppelt so viel wie der zweitgrößte Zahler Frankreich. Und jetzt kommst du mir mit dem alten Märchen, dass Deutschland als Exportnation besonders von der EU profitiert. Wir profitieren vom zollfreien Binnenmarkt. Den könnten wir auch ohne die EU haben. Von dem System, dass wir andere EU-Regierungen mit Geld alementieren müssen, das oft genug in undurchsichtigen Kanälen versickert, profitieren wir überhaupt nicht. Lustigerweise finanzieren wir damit Länder wie Ungarn und Polen, die „unsere“ Auffassung davon, was eine gute Demokratie ist, bekämpfen. Mit deutschem Steuergeld, das uns schmerzhaft an anderen Stellen fehlt, wird also die deutsche Demokratie bekämpft (die, nebenbei bemerkt, auch ihre Schwächen hat). Ein Treppenwitz der Geschichte.
Das hat mit dem Sprachenproblem zu tun, weil sich auch hier unser mangelndes nationales Selbstbewusstsein zeigt. Trotz der genannten Fakten wird die in der EU geltende Regelung, dass Deutsch gleichberechtigte „Arbeitssprache“ neben Englisch und Französisch sein soll – „Amtssprachen“ sind die Sprachen aller EU-Mitgliedsländer – einfach nicht in die alltägliche EU-Praxis umgesetzt. Nicht weil die anderen so „böse“ sind, sondern weil Deutschland selbst kein wirkliches Interesse an seiner eigenen Sprache hat und nicht offensiv für sie eintritt. Hier haben zu viele Leute das Sagen, die es so sehen wie Du, Meta: immer schön bescheiden und zurückhaltend sein und strebsam natürlich, denn wir können doch was, stimmt’s Meta? Wir sind die Besten, auch beim Sprachen-Können, und da ist Englisch natürlich viel wichtiger als Deutsch.
Die Realität ist eine andere: Als Deutschland noch auf Deutsch Wissenschaft und Forschung betrieben hat, purzelten die Nobel-Preise nur so. Seitdem Englisch unsere Wissenschaftssprache ist, sind wir an vereinzelten Nobelpreisen höchstens noch beteiligt.
Walter Krämer hat den Verein Deutsche Sprache gegründet, als er gemerkt hat, dass Siemens in Spanien auf Spanisch wirbt, in Russland auf Russisch, in Italien auf Italienisch. Und wie in Deutschland? Natürlich auf Englisch. Mich ekelt dieses Klassenbester-sein-Wollen an: Ich kann was, ich weiß was, Herr Lehrer, ich kann Englisch! Hochdeutsch ist ja nicht wichtig, das muss und will ich nicht gut können, denn ich bin ja weltoffen und international.
„Die Realität ist eine andere: Als Deutschland noch auf Deutsch Wissenschaft und Forschung betrieben hat, purzelten die Nobel-Preise nur so.“
Dieser Satz stimmt. Die Folgerung daraus leider nicht. Eben weil Deutschland nicht mehr führend in der Wissenschaft ist, hat sich Englisch als generelles Verständigungsmittel zwischen den Völkern sehr etabliert. Wer nach Wissen und Erkenntnissen strebt, kommt an der englischen Sprache nicht vorbei. Und sich mit anderen auf Englisch unterhalten zu wollen, hat nichts mit Streberei zu tun, wenn ich im Alltag merke, dass sich mein Gegenüber schwer mit der deutschen Sprache tut, frage ich ganz unverbindlich, ob Englisch vielleicht einfacher ist weil ich es fließend sprechen und verstehen kann. Das hat einfach etwas mit Freundlichkeit und Entgegenkommen zu tun.
Selbstverständlich ist es bei einer Geschäftsanbahnung etwas anderes. Dann kann man schon Deutsch erwarten. Das Problem ist, dass den meist indischen Betrugscallcentern langsam die Kunden im amerikanischen Markt ausgehen. Denen ist es auch völlig egal, dass man hier in Deutschland mit Englisch meist wenig Erfolg hat. Wie bei unerwünschter Werbung per Email erledigt das einfach die schiere Masse an Anrufen. Und betrogen kann man auch – und das noch viel besser – auf Deutsch werden.
Dem Wunsch nach einer festen Sprache, die klaren Regeln folgt und sich im Laufe der Zeit nicht verändert, kann man natürlich nachkommen. Ich empfehle da immer Latein. Die Regeln und der Wortschatz sind klar und es wird sich nie etwas daran verändern, weil diese Sprache ist tot, kein Volk spricht sie mehr aktiv.
Lieber Karl,
du monierst, dass ich nicht auf deine Bemerkung eingegangen bin, der Ehrgeiz, Englisch zu können, begünstige Betrugsmanöver. Ich wäre auch auf den umgekehrten Satz nicht eingegangen: Erschwert denn der Unwille, eine andere als die eigene Muttersprache zu sprechen, Betrugsmanöver? Oder verringert der Stolz auf die eigene Muttersprache die Gefahr, auf Betrüger hereinzufallen? Oder schützt Faulheit beim Femdsprachenlernen vor dem Betrogenwerden?
Letzteres kann ich aus eigenem Erleben verneinen. Zum Beispiel habe ich es bei meinen zahlreichen Dienstreisen in Länder, deren Sprachen ich nicht mal auf Touristenniveau beherrsche, des öfteren erlebt, dass Kellner, Taxifahrer oder Kassiererinnen mich nicht korrigierten, wenn ich mich bei den zu zahlenden Beträgen zu meinen Ungunsten verhört hatte. Ähnliches habe ich aber auch in Deutschland beim Umgang mit Ausländern beobachtet; der Versuch, sie über`s Ohr zu hauen, hat sich in einigen Branchen direkt als Sport etabliert.
Schade, liebe Meta. Ich dachte, wir könnten „der Welt“ ein Beispiel geben, dass auch Menschen, die insgesamt eher links denken wie du, mit anderen wie ich, die insgesamt eher „rechts“ denken, konstruktiv diskutieren können, so dass möglicherweise ein gemeinsamer Erkenntnisgewinn daraus resultiert. Mir ist jetzt schon mehrfach aufgefallen, dass du mir in meinen Argumentationen Denkfehler nachweisen willst, um mich dann nach Punkten zu besiegen. Bestände die größere Leistung als denkende Persönlichkeit nicht darin, erst einmal das suchen und finden zu wollen, wo der andere recht hat, bevor dann die Kritik beginnt?
Jeder Mensch, der intellektuell halbwegs entwickelt ist, kann zu jeder These Pro- und Kontraargumente finden. Ich kann dir das Abstruseste begründen, du musst mir nur sagen, was und ruck-zuck auch das Gegenteil. Die Frage ist dann wie immer, was mehr richtig ist als zugleich falsch und umgedreht. (Ich finde Trump hat mit seinen „alternativen Wahrheiten“ gar nicht so unrecht.)
Ich könnte dir jetzt auch sagen, was an dem, was du geschrieben hast, richtig ist. Ich will aber zunächst auf den Ausgangspunkt zurückkommen: Es gibt eine Betrugsmasche, bei der Deutsche angeblich von Europol angerufen und auf Englisch „belabert“ werden. Viele, einige (?) raffen ihr ganzes bisschen Englisch zusammen, weil sie überzeugt sind, dass das heute nun einmal so ist, dass Bürger, auch deutsche, von EU-Behörden auf Englisch angesprochen werden. Damit sind sie schwer im Nachteil gegenüber den englischsprachigen Muttersprachlern, die es allerdings in der EU kaum noch gibt. Eine Polizeibehörde macht sowieso schon Angst, erst recht, wenn sie mit einer Sprache kommt, die jemand nur halb versteht.
Wäre es da nicht viel klüger, sich auf dieses Gespräch gar nicht erst einzulassen, und zwar mit einer logischen Begründung: Ich spreche kein Englisch? Ich jedenfalls finde es unhöflich, gar keine Begründung für den Gesprächsabbruch zu nennen, und ich bin überzeugt, dass die überwältigende Mehrheit der Franzosen und Spanier das so handhabt. Aber es steckt tief drin in den Deutschen: Sie wollen immer etwas Besseres sein. Das ist meine Vermutung. Nicht mehr und nicht weniger.
Kannst du da nicht zugeben: Ja, es wäre besser, zu seinem Halbwissen zu stehen und ein wichtiges Gespräch mit einer Behörde nicht in einer Sprache zu führen, die einem nicht vertraut ist? (Selbst Boris Becker, der bestimmt sehr gut Englisch spricht, hat bei Gerichtsverfahren auf eine Übersetzung ins Deutsche bestanden.)
Dieses deutsche Strebertum hat ja auch eine positive Kehrseite: Es hat dazu geführt, dass wir nach zwei verlorenen Weltkriegen mit riesigen Reparationszahlungen und einem Verlust von insgesamt einem Drittel des Staatsgebiets trotzdem wieder zur führenden Wirtschaftsnation in Europa (1. Stelle) und der Welt (4. Stelle) aufgestiegen sind.
Schade, lieber Karl, dass du es so siehst. Ohne lange suchen zu müssen (und ohne mich als „denkende Persönlichkeit“ besonders zu verausgaben), finde ich meistens recht schnell unter deinen Aussagen diejenigen, wo ich sagen kann: Da hat er recht. Zum Beispiel: Ja, es stimmt, wir Deutschen haben mehrheitlich ein zwiespältiges Verhältnis zu unserer nationalen Identität. Ja, es stimmt auch, dass unsere Mentalität zwischen Großmannssucht und Untertanengeist schwankt. Ja, unser Verhältnis zur englischen Sprache und zu den grassierenden (Pseudo-)Anglizismen zeugt von Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Sprache und von falscher Heldenverehrung. Ja, es ist ein Unding, dass wir auch im Bereich Schlager und Popmusik unsere eigene Kreativität, unser „Licht“ zugunsten englischsprachiger Songs unter den Scheffel stellen. Ja, wir messen hierzulande nicht mit ein und demselben Maß, wenn es darum geht, Strafen zu verhängen und Leistungen zu würdigen. Ja, wir lassen zu, dass andere als die bei uns geltenden Regeln und Gesetze von den ausländischen Mitbürgern eingeschleppt und manchmal auch durchgesetzt werden.
Das zuzugeben habe ich kein Problem, aber auch keinen besonderen Erkenntnisgewinn. Der springende Punkt ist für mich ein ganz anderer, nämlich dass du aus solchen Aussagen bzw. auch nur Einzelbeobachtungen weitreichende Schlussfolgerungen ziehst, die alle auf die Forderung hinauslaufen, mit erhobenem Haupt das eigene Deutschtum zu pflegen, von dem sich andere Völker eigentlich eine Scheibe abschneiden können müssten. Im Dienste dieser Botschaft in Varianten verlässt du gern auch mal den Pfad konsistenter Schlussfolgerungen. So nehme ich das jedenfalls wahr und habe dann natürlich nichts Besseres zu tun – Oberlehrerin, die ich nun mal bin – als da nachzuhaken. Das scheint mir dann immer noch schwesterlich-liebevoller, als jeder dieser Aussagen ein kräftiges Aber folgen zu lassen, gar eine weltanschauliche Polemik mit allem Drum und Dran, die ich allerdings auch nicht ironiefrei vortragen könnte. Zumal ich nicht wirklich verstehe, wie du zu dieser „Deutschland, Deutschland über alles“-Attitüde gekommen bist, es aber gern verstehen möchte.
Liebe Meta, ich staune, wie weit du mir zu Beginn deiner Antwort entgegenkommst. Das lässt mich hoffen, dass wir doch in der Lage sind, Gemeinsamkeiten in unserem Denken zu suchen und zu finden. Ich weiß das zu würdigen. Ich erinnere mich auch, dass wir übereinstimmten bei einem Gespräch über Brechts Kinderhymne:
Armut sparen nicht noch Mühe
…
Und nicht über und nicht unter
Andern Völkern wollen wir sein
…
Und weil wir dies Land verbessern
Lieben und beschirmen wir’s
Und das liebste mag’s uns scheinen
So wie andern Völkern ihrs.
Jetzt verstehe ich nicht, wie du von da zu „Deutschland, Deutschland über alles“ kommst. Mal abgesehen davon, dass das von Hugo von Hofmannsthal so gemeint war, wie wenn ein Liebender von seinem „Schatz“ spricht und ursprünglich nichts damit zu tun hatte, andere Nationen gering zu schätzen. Es kann aber so missverstanden werden und wurde von den Nazis ja auch so umgedeutet.
Also mal abgesehen davon, neige ich sowieso nicht zu pathetischen Übertreibungen. So weit müsstest du mich kennen, da bin ich wahrscheinlich eher britisch zurückhaltend und würde niemals auf die Idee kommen, irgendeine „Attitüde vor mir herzutragen“. Auch will ich nicht, dass sich andere eine „Scheibe vom Deutschtum [dieses Wort würde ich gar nicht verwenden] abschneiden“. Sie könnten es höchstens von allein machen, weil sie es selbst wollen, aber ich würde es niemals von ihnen erwarten. Allein der Gedanke ist mir peinlich.
Aber ich will eben auch nicht (genau wie du, offenbar), dass wir unser Licht unter den Scheffel stellen; ich will wie Brecht, dass wir gleichberechtigt mit den anderen Nationen ähnlicher Größe und Wirtschaftskraft sind und dass in der EU, wenn wir netto schon doppelt so viel bezahlen wie die Franzosen und mit den anderen deutschsprachigen Ländern fast doppelt so viele Muttersprachler sind wie sie, das Deutsche dann gleichgestellt ist mit dem Französischen und auch dem Englischen, das in der EU muttersprachlich zwar fast gar nicht mehr vertreten ist, dafür aber Weltsprache.
Ich will mich nicht über diese anderen beiden Arbeitssprachen der EU stellen, aber auch nicht unter sie, zumal das einmal so vereinbart wurde, dass Deutsch die 3. Arbeitsprache ist. Mich ärgert, dass unsere Politiker das einfach nicht beanspruchen und durchsetzen und anstattdessen zunehmend selbst lieber Englisch reden. Welchem Souverän sind sie den rechenschaftspflichtig? Internationalen Politikern oder ihrer eigenen deutschsprachigen Bevölkerung, die sie gewählt und beauftragt hat, ihre Interessen durchzusetzen?
Was hat das mit dem zu tun, was du mir im 2. Teil deiner Antwort vorwirfst? Ich vermute eine große Empfindlichkeit diesbezüglich bei dir, die sicher auch ihre Gründe hat. Die müsstest du mir mal erklären.
Wie immer ist die aufgeworfene Frage so einfach nicht zu beantworten.
Zu nächst einmal: Die EU hat 24 offizielle Amtssprachen. Jeder EU-Bürger hat dabei das Recht bei einer Anfrage die Antwort in der Sprache zu erhalten, in der die Anfrage gestellt wurde. Das Bedeutet auch, lieber Karl, wenn die EU genau von Ihnen etwas möchte, wird sie es auf deutsch einfordern, bzw. eine möglicherweise in der falschen Sprache gestartete Kommunikation auf die richtige Sprache umstellen.
Warum die meisten Verhandlungen in der EU auf Englisch geführt wird ist dann eher ein sehr komplexes Thema. Immerhin, auch ohne das Königreich wird Englisch von über 50% der Europäer verstanden. Und in einer solch komplexen Organisation, wie es die EU ist, eine „Lingua franca“, also eine Arbeitssprache zu etablieren ist eine Schwierige Aufgabe. Denn wie es mit „lebenden“ Sprachen so ist, ändern sich oft Bedeutungen im Kontext der ganzen Formulierung und unterliegen auch einem gewissen „Zeitgeist“. Die Kontextbezogenheit des Deutschen insbesondere und die Tatsache, dass Deutsch nur von unter 20% der EU-Beamten gesprochen wird hat das Deutsche da ziemlich verdrängt. Zudem kam hinzu, (und das kann und sollte man der deutschen Politik auch vorwerfen), dass bis in die 2000er Jahre hinein auch keine besondere Lobbyarbeit für das Deutsche geleistet wurde. Somit befürchte ich, der Zug ist da auch aus praktischen Gründen abgefahren.
Generell ist es günstiger bei verhandlungsreichen Tätigkeiten eine tote oder künstliche Sprache zu verwenden um den kontextbezogenen Bedeutungswandel im Laufe der Zeit zu vermeiden. Deswegen ist das „Beamtendeutsch“ auch so wie es ist, es stolziert mit einer gewissen Blasiertheit daher, die sich eigenartig anfühlt, dem Zweck der Amtssprache aber geschuldet ist.
Alternativ wäre eine reine, leicht zu erlernende Kunstsprache, wie beispielsweise Esperanto, zu etablieren. Von diesem Plan ist man aber recht schnell wieder abgekommen, weil man das im Allgemeinen wohl eher sehr schwer allen Europäern schmackhaft machen hätte können.
Meiner Meinung nach ist es, wie mit so vielem wahrscheinlich eine Generationenfrage. Die nach 1980 Geborenen haben im Regelfall eher wenig Probleme mit der englischen Sprache, es ist wahrscheinlich, dass sich in der Tat Englisch als kleinster gemeinsamer Nenner etablieren wird.
Es ist natürlich auch zu unterscheiden zwischen öffentlich geführten Diskussionen (das wird meist auf Englisch gemacht) und offizielle EU-Amtskommunikation, diese erfolgt immer in einer der 24 Amtssprachen, je nachdem was lokal gesprochen wird.