Männer sind anders. Frauen auch. Aber bleiben wir zunächst bei den Männern.
Männer sind anders, jedenfalls die meisten. Jedenfalls bei klischeegesättigter Betrachtung, die sich allerdings statistisch untermauern lässt. Zum Beispiel gehen Männer, wenn ihnen die Frau durch Scheidung oder Weglaufen oder Tod abhanden kommt, meist schneller eine neue Partnerschaft ein als Frauen in ähnlicher Lage. Wenn Frauen einen Neuen haben, ist der oft ein paar Jährchen älter als der Verflossene. Umgekehrt darf seine Neue gern ein paar Jährchen jünger sein. So jung wie die eigene Tochter zum Beispiel. Frauen sind da heikler. Nicht dass sie kein Wohlgefallen an einem Jüngling finden könnten, im Gegenteil, aber bei einem Burschen im Alter des eigenen Sohnes gewinnen meist mütterliche Gefühle die Oberhand. Oder die Vernunft.
Es gibt biologisch bedingte Unterschiede und sozial bedingte; oft mischen sich beide und bilden den Nährboden für moralische Urteile. Moral ist eine Frage der Definition und die Definitionsmacht lag jahrhundertelang bei den Männern. Biologische Unterschiede werden heutzutage gern heruntergespielt, während sie in früheren Zeiten gern betont und zur Begründung von Vorschriften und Gesetzen herangezogen wurden, die teilweise bis heute geltendes Recht sind.
Zu den banalsten Tatsachen aus der Rubrik biologischer Unterschiede gehört die Feststellung, dass Männer keine Kinder kriegen können. Sie können sie nur zeugen und der Natur im Bauch der Frau ihren Lauf lassen. Wer die Mutter eines Kindes ist, steht zweifelsfrei fest, während als Erzeuger gelegentlich mehrere Kandidaten in Frage kommen. Solange der Vaterschaftstest noch nicht erfunden war, mussten Männer diverse Maßnahmen ergreifen, um den Restzweifel an ihrer Erzeugerrolle gegen Null zu fahren. Es sei denn, sie hatten mit dieser Rolle ohnehin nichts am Hut und ließen die Frau mit den Folgen des Zeugungsaktes allein. Als Erklärung für solches Verhalten darf ein weiterer Unterschied nicht unterschätzt werden: Männern sind hormonell auf schnelle Triebbefriedigung eingerichtet, während Frauen vom ausgiebigen Kuscheln so erfüllt sein können, dass der Austausch von Körperflüssigkeiten auch mal ohne Defizitgefühle ausbleiben darf.
Um ihre Ignoranz gegenüber den unerwünschten Folgen des Geschlechtsaktes rechtfertigen zu können, haben Männer dem anderen Geschlecht in allen Zeiten und Kulturen bei Bedarf eine durch und durch böse Verführungskraft angedichtet, verbunden mit dem Recht, diese Kraft mit drakonischen Maßnahmen zu brechen. Drakonisch waren aber auch viele Maßnahmen, mit denen Männer verhindert haben, dass ihnen Kinder untergeschoben wurden, die sie nicht gezeugt hatten. Keuschheitsgürtel und Käfighaltung sind zwar mittlerweile obsolet, geistern aber nach wie vor als ideelles Konzept und männliche Wunschvorstellung bzw. als ungeschriebenes oder tatsächliches Gesetz durch die Welt. Der Status der Unberührtheit als Eintrittsticket für die Ehe ist bis heute in bestimmten Regionen und Religionen vorgeschrieben, jedenfalls für Frauen. Für Männer dagegen galt schon immer das ungeschriebene Gesetz, vorehelich sündigen zu dürfen. Rein rechnerisch hätte ihnen dafür der fast überall vorhandene leichte Frauenüberschuss zur Verfügung stehen können, aber de facto ging diese Rechnung nirgendwo auf.
Bis heute gilt in vielen Regionen die gesetzliche Vormundschaft des Ehemannes über seine Frau. Staat und Kirche beharren selbst in den fortschrittlichsten Ländern noch immer darauf, das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren eigenen Körper einschränken zu dürfen. Auch die Fähigkeit zu wirtschaftlicher Selbstständigkeit wird ihnen gern abgesprochen. In zivilisatorisch weniger entwickelten Gegenden wird Mädchen und Frauen der Zugang zu höherer Bildung – oder überhaupt zu Bildung – verwehrt, gern mit der Begründung, dass ihr kindlicher Geist für höhere Denkleistungen nicht geschaffen sei. Dagegen seien ihr Talent für dienende Tätigkeiten und ihre mütterliche Aufopferungsbereitschaft naturgegeben. Selbst die dümmste Theorie über die mentalen und geistigen Schwächen der Frauen wurde in der Vergangenheit von klugen Männern willkommen geheißen, wenn sie damit ihren Führungsanspruch untermauern und sich vor ungeliebten Verrichtungen drücken konnten. Zwar hat die moderne Hirnforschung tatsächlich tendenzielle Unterschiede zwischen Frauen- und Männerhirnen ausgemacht, aber die haben nichts mit ihrer Lernfähigkeit oder Geisteskraft zu tun.
Wenn Frauen trotz dieser über Jahrhunderte praktizierten Ungleichbehandlung und Zurücksetzung weiter denn je davon entfernt sind, sich in die Rolle des schwachen Geschlechts zu fügen, so kann das nur daran liegen, dass sie zu stark dafür sind. Frauen sind notgedrungen Meisterinnen in der Kunst geworden, sich zu arrangieren, Unterwürfigkeit zu mimen und dem eigenen Willen durch die Hintertür Eintritt zu verschaffen. Aber machen wir uns nichts vor, wenn so ein Arrangement platzt, haben Frauen meist mehr zu verlieren als Männer. Und an dieser Stelle kommt die Natur mit einigen Tatsachen um die Ecke, die man eigentlich nur als ungerecht bezeichnen kann: Männer sind viel länger zeugungsfähig, als Frauen gebärfähig sind. Auf diesen Unterschied wird man sich vermutlich nicht bis in alle Ewigkeit verlassen können, aber noch ist er einschlägig. Männer reagieren ungebremster auf Neureize, die ihre altvertrauten Partnerinnen in den Schatten stellen. Männer altern oft ansehnlicher als Frauen. Jedenfalls, wenn man den landläufigen Deutungsmustern glaubt, die allerdings durch die Tatsache in Frage gestellt werden, dass Männer im Schnitt eine kürzere Lebenserwartung haben.
Das alles sind keine idealen Rahmenbedingungen für die Idee, Männer und Frauen ein Leben lang zusammenzuspannen. Sollten wir deshalb darauf hoffen, dass sich die Unterschiede mit der Zeit erledigt haben werden? Lieber nicht! Und diese Antwort ist nicht einem resignativen Achselzucken á la „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ geschuldet, sondern der Befürchtung, dass die eingeebneten Unterschiede unseren Beziehungen auch die Spannung nehmen würden. Und was nicht mehr spannend ist, wird leicht verzichtbar. Aber wer will das schon.
Ein Kommentar zu “Der kleine große Unterschied”