Hokus Pokus und weg bist du, du dummes Problem

Die DDR war ja schon gut darin, Probleme zu verschweigen. Und die Verantwortlichen haben wohl tatsächlich geglaubt, dass sie auf diese Weise verschwinden. Aber der Westen war schon immer besser, dem real existierenden Sozialismus eine ganze Epoche voraus. Und so wundere ich mich nicht, dass dieses Prinzip im besten Deutschland aller Zeiten noch höher und weiter entwickelt wurde. 

Was lese ich heute in der BILD (S. 5): Die Lehrer einer Berliner Schule schreiben wieder einmal einen „Brandbrief“ und rufen um Hilfe. „Im Schnitt sind von 39 Lehrern täglich 10 bis 13 krankgeschrieben.“

„Flaschenwürfe, Böller-Explosionen, Schläge auf dem Schulhof, Spanner auf den Toiletten und Dauerschwänzer sind an der Berliner Friedrich-Bergius-Schule an der Tagesordnung.“

Komisch. Angeblich führt doch nur diktatorische Unterdrückung zu Gewalt und Rebellion. In der DDR gab es aber so etwas in einer solchen Ausprägung und Regelhaftigkeit nicht. Jetzt leben wir in einer hochentwickelten Demokratie, die „Partizipation“ der Kinder und Jugendlichen steht ganz oben auf der Liste der Bedeutsamkeiten. Und die Pädagogik, Psychologie und Neurowissenschaften sind klüger denn je, die Pädagogen sind besser und länger ausgebildet, als das in der DDR der Fall war.

Und bestimmt – das müsste einmal nachgerechnet werden – geben wir als Steuerzahler heute ein Vielfaches pro Schüler aus, als das damals die DDR mit ihrer Ostmark konnte. Komisch. Und trotzdem sind die Probleme heute viel größer, und es kommt „hinten“ viel weniger heraus als damals. Ein Teil der Erklärung liegt schon im Folgenden, was die Lehrer in ihrem „Brandbrief“ bemängeln:

„Lehrern würden viele Sanktionsmöglichkeiten genommen…

  • Schwierige Schüler könnten weder sitzenbleiben, noch von der Schule gewiesen werden.
  • In den 9. und 10. Klassen dürften keine Tadel und Verweise auf dem Zeugnis stehen.
  • Auf dem Abschlusszeugnis dürften nicht einmal Fehlzeiten aufgelistet werden.“

Hokus Pokus und schon ist die BRD-Welt wieder in der schönsten Ordnung. Wie soll sich jemand bessern, dem seine Mängel nicht bescheinigt werden dürfen? (Ich stelle mir vor, wie das wird, wenn dieses Prinzip auch auf den TÜV bei der regelmäßigen Beurteilung der technischen Sicherheit von Kraftfahrzeugen angewandt wird.) In den ersten Klassen darf es keine Zensuren geben und am Ende dann keine Fehltrage mehr.

Aber jedes Kind, jeder Jugendliche hat ein Recht auf Erziehung, auf – wann immer möglich: freundliche –  Zurechtweisung und Korrektur, darauf, nicht so bleiben zu müssen, wie es/er sich nun einmal bisher entwickelt hatte. Kein Kind kann immer von allein wissen, was gut und richtig ist. Wäre der BRD-Staat ein Elternteil, müsste man ihm das Sorgerecht entziehen.

Der alte Rektor, der bis zu seiner Pension 2021 die Schule leitete, hatte das staatliche Vakuum an Ordnung und Konsequenz mit eigenen Maßnahmen gefüllt: „Es muss sofort etwas passieren und es muss für alle sichtbar sein.“

  • „40 bis 50 Schüler kamen jeden Tag zu spät zum Schulbeginn. Konsequenz: Um Punkt 7.30 Uhr fiel die Tür ins Schloss. Wer danach kam, musste klingeln und gemeinnützige Arbeiten auf dem Schulgelände erledigen.“ Das ist heute wahrscheinlich, weil unsere Gesellschaft ja von Tag zu Tag demokratischer und partizipativer wird, als entwürdigende Kinderarbeit verboten.
  • „Schwänzen: Sozialarbeiter nervten bei jedem Unterrichts-Fehlen die Eltern.“ Heute als unerwünschte telefonische Belästigung wahrscheinlich verboten, Hauptsache, renitente Regelverletzer können die weiter belästigen, die in Ruhe lernen wollen.
  • „Beleidigungen und andere Verstöße: Eine Stellungnahme über den Vorfall musste angefertigt, von den Eltern unterschrieben werden.“ Da haben wie sie wieder, die „schwarze Pädagogik“, preußisch-militaristische, die nicht einmal vor schriftlichen Strafarbeiten zurückschreckt, wo doch die Kinder so gern aus frühen Stücken Texte schreiben! Kein Wunder, dass sie aufbegehren und das Chaos an der Schule herrscht! Sie wehren sich ja nur gegen die hierarchischen Schieflagen. Gedanken-Stopp: Beim alten, „autoritären“ Schulleiter gab es doch gar keine chaotische Rebellion. Die gibt es doch erst heute, wo Regeln nicht mehr durchgesetzt werden??!!
  • „Gewalt: Schüler wurden für 14 Tage von der Schule suspendiert… Ich [der alte Schulleiter] war in ständigem Kontakt mit der Polizei und habe Anzeigen gestellt.“ Das zeitweilige Suspendieren gewalttätiger Schüler von der Schule ist heute – siehe den Brandbrief der Lehrer – offenbar verboten. Mal muss doch endlich durchgegriffen werden, sagt offenbar die Schulbehörde, deswegen verbietet sie der Schule nun das Verbieten und das Durchgreifen gegen gewalttätige, chaotische Schüler. Geht doch! Konsequenz ist also doch möglich!

Ein Kommentar zu “Hokus Pokus und weg bist du, du dummes Problem”

  1. Marlen sagt:

    „Wäre der BRD-Staat ein Elternteil, müsste man ihm das Sorgerecht entziehen“- ja, diese Aussage gefällt mir, lieber Karl.

    KINDER AN DIE MACHT? „Gebt den Kindern das Kommando, sie berechnen nicht, was sie tun. Die Welt gehört in Kinderhände, dem Trübsinn ein Ende. WIR WERDEN IN GRUND UND BODEN GELACHT. Kinder an die Macht.“

    Peinlich nur, dass es nicht die Kinder sind, die da lachen. Mittlerweile lachen die anderen Länder über unser Versagen auf der ganzen Linie, auch so bei der Erziehung und Bildung unseres Nachwuchses.

    Das beginnt im Elternhaus durch neue, dubiose Erziehungsstrategien, setzt sich im Vorschulbereich fort bis in die Schulen und beruflichen Bildungsstätten. „Bildung ist ein Geschehen sozialer Interaktion. Erziehung meint die Unterstützung und Begleitung, Anregung und Herausforderung der Bildungsprozesse, z.B. durch Eltern und pädagogische Fachkräfte,“ so steht es geschrieben.

    Aus meiner Sicht ist das so nicht ausreichend. Meine Erfahrung als ehemalige Grundschullehrerin ist anders. Erziehung ist die Grundvoraussetzung dafür, dass eine planmäßige Bildung überhaupt erst stattfinden kann. Aufmerksamkeit, Konzentration, Anstrengungsbereitschaft, Ausdauer sind Eigenschaften, die ein Lernwilliger braucht, um sich gezielt Wissen und Können anzueignen. Das wird nicht angeboren, jeder ist mit anderen Voraussetzungen ausgestattet und muss ein gewisses Maß an Disziplin aufbringen, um seine Defizite auszugleichen. Nur so wird er für sich und für die Gesellschaft zu Wohlstand kommen.

    Als ich im Netz über Erziehungsstrategien recherchierte, war ich einfach nur fassungslos. Nun, wären wir in diesem Bereich erfolgreich, würde ich mich gern damit befassen, meine uralten Ansichten über Bord werfen und mich bei meinen Söhnen und ehemaligen Schülern entschuldigen. Leider denke ich, genau dort die Wurzel allen Übels entdeckt zu haben.

    Dass die heutigen Lehrkräfte nicht schon längst auf der Straße sind und ihr Anliegen öffentlich kundtun, wundert mich sehr. Der Fisch fängt am Kopf an zu stinken, sagt man…

    Es muss sich etwas Grundlegendes ändern! Vor allem im Bereich der Erziehung und Bildung unseres Nachwuchses. An der Jugend erkennt man, ob ein Staat gesund oder marode ist…

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