Offenbar nicht mal Gott, jedenfalls nicht auf Deutsch, in der Sprache, in die Luther die Bibel übersetzt hat. Das hätte er, weltoffen wie die Leipziger Buchmesse, lieber gleich ins Englische tun sollen. „Wer liest noch?“ ist ja auch kürzer und prägnanter als das als Motto einer deutschen Buchmesse gewählte „Who’s still reading?“ Das ist den Besuchern offenbar nicht zumutbar, erinnert vielleicht zu sehr an die „knackigen“ Überschriften der BILD-Zeitung.
In einer gerade neu in die Kinos gekommenen französischen Komödie „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ heißt es: Wer lebt schon gern in Deutschland? Du? Nicht einmal die Deutschen leben gern in Deutschland! Das ist treffend beobachtet. Wer lebt schon gern in der deutschen Sprache? Nicht einmal eine deutsche Buchmesse tut das.
Dann sollte die leipziger aber die Konsequenz und Wahrhaftigkeit besitzen, sich nach einem englischsprachigen Austragungsort umzusehen.
Wer noch liest? Ich denke, mindestens noch meine Generation aus der Kriegs- und Nachkriegszeit. Wenn ich da an meine kürzlich verstorbene 96-jährige Literaturfreundin denke!
Und ich denke noch oft an sie. Wie sie bis zuletzt mit der Lupe ihre Bücher las, die sie sich oft aus Österreich schicken ließ. Sie hatte ihre bevorzugten Verlage und Verfasser.
Sie selbst gehörte früher einem „Zirkel“ „Schreibender Arbeiter“ in Dresden an, schrieb vorwiegend Gedichte. Diese Art der Pflege und Förderung von Laienliteratur trug die deutsche Sprache und Kultur in die Mitte der Gesellschaft, regte zum Lesen und Schreiben auf breiter Ebene an.
Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Lust für meine Literaturfreundin lebensverlängernd wirkte. Obwohl ihre letzten Gedichte meist von der Bürde des Alters reden, war sie nie des Lebens überdrüssig. Sie hielt es fest, um sich das eine oder andere Buch noch mühsam mit der Lupe erlesen zu können. Ihr Geist blieb bis zuletzt hellwach. Ihr Körper versagte ihr jedoch mehr und mehr den Dienst. Als ich mich daraufhin entschloss, sie noch einmal zu besuchen, war eine Enkeltochter am Telefon und teilte mir ihr Ableben mit.
Es kam trotz allem überraschend, wir hatten vor einer Woche telefoniert, und von mir war ein Brief unterwegs.
Sie fehlt mir. Wir hatten uns über das Schreiben kennengelernt, liebten beide das Lesen und Schreiben (ohne sinnlose Anglizismen).