„Musik von hier“

So höre ich es immer wieder auf MDR-Kultur: Musik aus Magdeburg oder Leipzig. Und in welcher Sprache erklingt sie? Natürlich auf Englisch!

Luther hat die Bibel ja bekanntlich auch ins Englische übersetzt.

Zu Anfang seiner letzten großen Pressekonferenz im Dezember 2024 hat Putin eine Anektode  über Deutschland erzählt. Das findet in den hiesigen Medien natürlich keinen Widerhall. Russland ist ja bloß das größte Land auf dem gemeinsamen europäischen Kontinent, und es ist über die Jahrhunderte nachbarschaftlich mit Deutschland verbunden.

Was hatte Putin gesagt? Es sei schon länger her. 2004 hatte er „Gerhard“ zu seinem Geburtstag in Hannover besucht. Was fiel Putin auf? Alle Lieder, die Gerhard Schröder zu Ehren gesungen wurden, waren auf Englisch. Nur die russischen Kuban-Kosaken hatten ein Lied auf Deutsch einstudiert und vorgetragen.

Putin meinte, dass Deutschland vom Westen nach dem 2.Weltkrieg zusammen mit dem Nazismus das eigene Nationalgefühl ausgetrieben wurde. Es sei keine souveräne Nation mehr, sondern ein Vasall der USA und des Westens, unfähig und unwillig, die eigenen Interessen zu vertreten.

Mich hätte interessiert, was Gerhard Schröder dazu gesagt hatte. Vielleicht: Wir sind nun mal so weltoffen, dass es das Eigene verweht hat, vom Westwind weggeblasen sozusagen. Das hat er bestimmt nicht gesagt. Eine so kritische Selbstsicht traue ich ihm nicht zu, obwohl er ja sonst durchaus zu einem eigenen, unabhängigen Denken in der Lage ist.

Putin hätte vielleicht gefragt: Ach so, weltoffen? Und warum dann bloß in eine einzige Richtung? Monokulturen sind doch nie gut, weder im Wald, noch bei bei Sprachen? Warum nicht auch mal ein Lied auf Russisch? Schließlich habt Ihr sehr viele Russischsprachige bei Euch. Nicht einmal ein Lied auf Französisch, Spanisch, Italienisch oder Polnisch, in den Sprachen also der wichtigsten EU-Partnerländer? Weder die USA noch Großbritannien gehören zur EU.

Welche Weihnachtslieder werden am meisten im deutschen Radio gespielt? Unter den ersten 20 war nach einer Erhebung des Erlanger Radio-Monitoring-Spezialisten „Musictrance“ schon im Jahr 2019 – und es ist inzwischen noch schlimmer geworden – nicht ein einziges deutschsprachiges, im „deutschen“ Rundfunk wohlgemerkt.

Ich nenne hier nur die ersten fünf:

  1. Last Christmas
  2. All I want for Christmas is you
  3. Driving home for Christmas
  4. Wonderful dream (holidays are coming)
  5. Do they know it’s Christmas?

Dabei gibt es durchaus auch moderne deutschsprachige Weihnachtslieder, wenn ich nur an die von Ute Freudenberg denke (Zum Beispiel: Dass ich eine Schneeflocke wär. Neben anderen Ostrock-Liedern hier zu hören.) Aber sie haben im deutschen Rundfunk, egal ob privat oder gebührenfinanziert keine Chance, denn sie sind ja bloß deutsch, sogar „ostdeutsch“, noch schlimmer, gehören also zu den „Unterhunden“, den Hunden, die sich auf der untersten Rangstufe des in Deutschland angesagten kulturellen „Rudels“ befinden.

Das Eigene wird nicht zur Kenntnis genommen oder wird vergessen. Das ist wie bei den Geburtstagsliedern. Als ich neulich ältere Kollegen fragte, die „Happy birthday for you“ für einen alten Mann aus ihrer Mitte sangen, ob das ihr Ernst sei, dieses Lied zu singen, fragten sie mich erstaunt, welches es denn dann sein sollte?

So schnell geht das, die eigene Kultur zu vergessen. Es fiel ihnen erst nach einigem Nachdenken doch noch mit Mühe ein: „Hoch soll er leben, dreimal hoch!“ und „Ich freue mich, dass du geboren bist“. Das sind Lieder, die das Geburtstagskind schon aus seiner eigenen Kindheit und Jugend kannte, die ihm halfen, an seinem Ehrentag sein Leben sozusagen „zusammenzubinden“, um einen Punkt zu haben, von dem aus es sich sowohl nach vorn wie auch nach hinten schauen lässt.

Der Bevölkerungsaustausch ist in Deutschland noch nicht gelungen, dafür klappt es mit dem Sprachentausch besser.

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