Heiligtümer, die sich im freien Westen gegenseitig neutralisieren

Gestern Abend habe ich auf Arte eine schöne Gesellschaftssatire gesehen: „Kommt ein Vogel geflogen“.

Der Leiterin eines Tierheims wird der Papagei eines verstorbenen Rentners gebracht. Dieser war offenbar rechtsextrem, denn er hatte seinem Vogel Sprüche wie „Sieg heil!“ und „Rotfront verrecke!“ beigebracht („Juda verrecke!“ ging offenbar selbst als Zitat zu weit.)

Jetzt gerät die Familie in die Klemme, denn der Vogel krächzt seine verfassungsfeindlichen Sprüche laut und deutlich. Das geht gar nicht. Darin sind sich alle Beteiligten einig. Es ist das eine Heiligtum der Jetzt-Zeit in Deutschland, nichts zu sagen oder zu tun, was irgendwie rechtsextrem sein könnte. Ich wundere mich zum Beispiel, dass ein Foto, wo Robert Habecks ausgestreckter Arm so aussieht, als wäre es ein verfassungsfeindlicher Gruß, noch nicht zu Hausdurchsuchungen bei ihm geführt hat.

Wenn der Rentner seinem Vogel Worte wie „ficken“ oder „Fotze“ beigebracht hätte, wäre das auch bedenklich, aber keinesfalls so schlimm. (Diese Worte hört man täglich auf Schulhöfen. „Sieg heil!“ und „Juda verrecke!“ ist noch tabu oder das Letzte vielleicht in Städten wie Berlin doch nicht mehr?)

Ein anderes Heiligtum in Deutschland sind die Migranten. Während SED-Genossen, zwar nicht alle, aber die besonders überzeugten, in der DDR sangen „Die Partei, die Partei hat immer recht“, lautet das entsprechende Lied der Gegenwart bei den besonders überzeugten Etablierten „Die Migranten, die Migranten haben immer recht“. Zugegeben, es wird nicht in diesem Wortlaut gesungen, aber dem Sinne nach, wobei zu bedenken ist, dass viele Migranten mehr Gemeinschaftssinn haben als die von Kindesbeinen an individualisierten Deutschen.

Offenbar deswegen, weil das mit dem Rechthaben so ist, hängt das Plakat, das ich schon Ende Oktober in Leipzig fotografierte, immer noch an dieser Häuserwand: „From the sea to the river Palestine“. Jemand erklärte mir, das wäre so, weil es von der Stellung der Worte her nicht genau der verbotenen Losung entsprechen würde; da käme erst der River und dann die Sea. (Ich würde ja sowieso Ausländern, die sich in Deutschland auf Staatskosten aufhalten und glauben, sich hier unbedingt auf Englisch ausdrücken zu müssen, dringend empfehlen, sich dann lieber gleich in einem englischsprachigen Land niederzulassen. Davon gibt es ja genug.)

Die offiziellen BRD-Staatsvertreter halten zwar verbissen die Legende aufrecht, dass der überwiegende Teil der Judenfeindlichkeit in Deutschland von „den Rechten“ ausgehe, wer aber mit offenen Augen durch deutsche Städte geht, weiß, dass der Hass, den die rechtsextreme israelische Regierung bei den Palästinensern in Deutschland erzeugt, indem mit jedem getöteten „palästinensischen Terroristen“ Dutzende unschuldige Zivilisten, auch viele Kinder, mitsterben müssen, der entscheidende Grund für den heutigen Antisemitismus in Deutschland ist.

Sogar der Internationale Gerichtshof betrachtet den israelischen Ministerpräsidenten als einen Verbrecher, der zu verhaften ist, wenn er das Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates betritt.

Ich muss zugeben, ich finde die Hilflosigkeit des deutschen Staates verdient, der wie Buridans Esel zwischen zwei Tabubrüchen steht und sich nicht entscheiden kann, gegen welchen er nun vorgeht: Gegen die Juden- oder gegen die Migrantenfeindlichkeit. Beides schlimm, in der Tat. Deutschenfeindlichkeit ist fast so schlimm.

Menschenfeindlichkeit sollte in Deutschland tabu sein. Das ist die Lehre unserer Geschichte und nicht einzelne Gruppen herauszunehmen, bei denen die Feindlichkeit tabu ist. Es werden auch nicht nur Frauen und Mädchen misshandelt. Jungen und Männer trifft es auch. „Keine Gewalt!“ muss die Devise sein, egal von wem („rechte Gewalt“, linke gibt es genauso) und egal gegen wen (Juden, Migranten, deutsche Kinder, die auf Schulhöfen, zumindest der Brennpunktschulen, als „Kartoffeln“ missachtet und verprügelt werden, dort entschieden mehr als umgedreht).

Wissen Sie, wie im Film der verknöcherte deutsche Staat bezüglich des Papageis entschieden hat? Ein blinder (!) Richter verfügt, dass ihm die Stimmbänder entfernt werden müssen, weil er nicht umerziehbar sei. Demnach müssten in Deutschland Wiedergabegeräte zerstört werden, die verfassungsfeindliche Parolen aufgenommen haben. Nicht mehr nur diese sind hier rechtsextrem, sondern auch die „unschuldigen“ Geräte, die gar nicht wissen können, was sie tun.

Allerdings, zugegeben, was macht man, wenn sie plötzlich losgehen, ohne angeschaltet worden zu sein? Wirklich zerstören? Das verbietet sich als eine Unterform der Feindlichkeit jedenfalls bei Haustieren wie Papageien. Dann lieber etwas Falsches sagen lassen, als zu amputieren bzw. sogar zu töten.

Und wie will der deutsche Staat nun mit den anderen – menschlichen – Schreihälsen umgehen, die in aller Öffentlichkeit auf der Straße die gleichen Parolen rufen wie es der Papagei tat? Einfach ignorieren so wie das Plakat an der Hauswand?

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