Das Leben ist herrlich, wenn die Temperaturen mild sind, Vögel singen und zwitschern, Katzen schleichen, ohne Vögel zu erwischen, und der Vormittag am 1. Mai auch noch sonnig ist. Das ist optischer und akustischer Hochgenuss, und der Duft, der satte Duft der entstehenden und wachsenden Pflanzen, liegt auch in der Luft.
Dazu kommt dann noch der Genuss am Schmecken, ein frisches, weich gekochtes Ei, herzhaft kerniges Vollkornbrot, Lachs mit Meerrettich, Konfitüre, Geflügelleberwurst, kleine knackige Tomaten und Paprika und schmackhafter Kaffee mit Kondensmilch. So lässt sich leben, vor allem, wenn dann auch noch ein lieber Mitmensch, meine Frau, da ist, mit dem/der ich den Genuss verdoppeln kann, weil ich ihn von ihr zurückgespiegelt bekomme, mit „Ausdrücken“ der Worte und ihres Gesichts.
Das ist eine Atmosphäre, die sehr geeignet ist, neue grundsätzliche Lebensideen zu „gebären“. Wir redeten gerade darüber, dass es mein Schicksal ist, zu viel geträumt und gedacht und zu wenig wirklich getan zu haben. Ich hatte zu wenig riskiert, zu viele „halbe Sachen“ gemacht, mit immer einem Fuß noch in der Hintertür. Dieser Fehler ist mir im Leben immer wieder passiert. Leider.
Zum Beispiel bei einer Frau und ihren Kindern, mit der es etwas hätte werden können. Ich wollte mich nicht ganz und gar auf sie einlassen, sondern „meine Freiheit“ behalten. Ich wollte nicht mit ihr in eine Wohnung ziehen, sondern meine für mich behalten. Dieser Gedanke ist auch nicht so falsch, aber wenn man im Leben noch relativ jung ist und noch einmal richtig von vorn anfangen will, dann geht das nur ganz oder gar nicht. Halbe Sachen werden schnell „Viertel Sachen“, bis sie sich ganz verläppert haben. Genauso war es und es hat mir hinterher sehr leid getan.
Ich hatte auch berufliche Lebenschancen, die ich auf diese Weise vermasselt habe. Auch das bereue ich sehr, weil ich viele Ideen habe, die ich so nicht umsetzen konnte. Jetzt könnte ich weiter träumen oder „so tun“, als wenn ich meine Träume ganz ins Leben umgesetzt hätte, nicht praktisch – das gelingt mir jetzt nicht mehr, dafür bin ich zu alt geworden -, aber gedanklich, indem ich einen Roman schreibe, in dem ich die halben praktischen Sachen konsequent vervollständige und in der geistigen Abbildung zu ganzen mache.
Eine Christin, mit der wir neulich über mein Problem mit dem „Glauben“ diskutierten, dass ich nicht ewig weiter leben, sondern irgendwann auch mal meine Ruhe haben will, wies mich auf einen Denkfehler meinerseits hin. Nach dem Tod hört die zeitliche Dimension der Existenz auf, was vor 2000 Jahren war, ist jetzt, und was in 3000 Jahren sein wird, auch. Alles ist miteinander verwoben, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und passiert zu gleicher „Zeit“.
Vielleicht kann ja in einer ähnlichen Weise auch das Gedankliche und Praktische ineinander übergehen. Vielleicht ist das gar nicht so getrennt voneinander, sondern auch komplex verwoben.
Ich extrapoliere und schlussfolgere aus den vorhandenen praktischen Ansätzen, aus dem, was ich in der Realität tatsächlich geschafft hatte, wie es hätte weiter gehen können, und ich tue es diesmal und jetzt mit (dem) ganzem Mut – der Gedanken. Das nun unbedingt, der ist zum Glück leichter aufzubringen als der der Tat.
Dabei kann ich auch meine Niederlagen, meine Enttäuschungen aufschreiben und sie dadurch, indem ich ihre Bestandteile sozusagen zum „Austrocknen“ in der sonnigen Luft der Ehrlichkeit ausbreite, besser verarbeiten, mich mit ihnen abfinden.
Ja, lieber Karl, ich möchte dich in deinem Vorhaben unbedingt bestärken. Es wird dir helfen, mit den Versäumnissen deines Lebens Frieden zu schließen, aber gleichzeitig auch deine Träume und kreativen Gedanken auszuleben.
Du schaust rückgewandt auf dein eigenes Leben und bringst nun deine Erfahrungen und gewonnenen Erkenntnisse ein. Und so wirst nicht nur du dich selbst besser verstehen, auch deine Mitmenschen, insbesondere die Kinder und Kindeskinder, haben die Möglichkeit, dich mit all deinen Stärken und Schwächen noch besser kennenzulernen, zumal dich eine große Offenheit und Ehrlichkeit auszeichnet.
Für dich ist es nunmehr eine wunderbare Aufgabe, und vielleicht gibst du damit jüngeren Lesern sogar noch wertvolle Hinweise für ihre eigene Lebensführung?
Ich wünsche dir viel Erfolg und ganz viel Vergnügen auf deiner Reise durchs Leben! Ich werde sie mit großem Interesse verfolgen…