Ich fürchte, Karl, zu deinem Beitrag „Holodomor“ werden wir uns einen Schlagabtausch liefern müssen.
Du schreibst, die staatlichen Medien hätten über Jahrzehnte die „deutsche Schuld“ absolut gesetzt und daneben keine andere Schuld gelten lassen wollen. Nichts sei ihnen schlimmer vorgekommen, als diese Schuld zu relativieren. Du erklärst „relativieren“ mit „ins Verhältnis setzen, vergleichen“, lässt aber den Rest der Erklärung weg, der da lautet: „mit dem Ziel, eine Aussage abzuschwächen, ihre Gültigkeit zu mindern, sie zu verniedlichen.“ Hattest du einen Filmriss bzw. kein Wörterbuch zur Hand oder warst du bewusst manipulativ unterwegs, um „denkende Menschen“ mit deiner Botschaft zu beeinflussen? Denn die „deutsche Schuld“ zu relativieren ist kein lässlicher Lapsus, sondern ein Akt der Geschichtsrevision, der im Extremfall die Gedankenbahnen frei machen will für eine Neuauflage deutscher Heldengeschichten. Für mich wird deutsche Schuld – ich lasse die Anführungszeichen als Signal fürs Sogenannte lieber weg – nicht geringer durch die Tatsache, dass auch andere Völker Schuld auf sich geladen haben. Schuld ist Schuld. Über den unausgesprochenen Vergleich zwischen dem Holodomor (Stalins Völkermord an den ukrainischen Bauern, indem er sie gezielt dem Verhungern preisgab) und dem Holocaust (Hitlers Völkermord an den Juden, indem er eine systematisch geplante Vernichtungsmaschinerie in Gang setzte) lässt sich streiten, aber ich will darüber nicht streiten. Mord ist Mord.
Viel mehr interessieren mich am Umgang der deutschen Regierung mit Putins Ukrainekrieg die Fragen: War es nötig und klug, diesen Konflikt zu unserem eigenen zu machen? War es nötig und klug, als Erfüllungsgehilfe amerikanischer Großmachtspläne aufzutreten? War es zeitgemäß, der Bevölkerung mit einer Kriegsberichterstattung nach uralten Lügenrezepten zu kommen? War es gerecht, der Ukraine, im Vergleich zu anderen Krisengebieten, Sonderkonditionen einzuräumen? War es für einen demokratisch verfassten Staat vertretbar, sich gegen den Willen einer breiten Bevölkerungsmehrheit mit Waffenlieferungen zu beteiligen, anstatt friedlich zu verhandeln? Ich bin mir sicher, Karl, dass wir beide diese Fragen einmütig mit Nein beantworten würden. Um so unverständlicher ist mir, dass du dich dabei in der Schmollecke eines zu kurz gekommenen und ungerecht behandelten Deutschtums wohl fühlst.
Den Völkermord an den Juden zu relativieren ist keineswegs hinnehmbar, da gebe ich Dir völlig Recht Meta.
Karl moniert jedoch auch zu Recht, dass unsere Regierung kriegsbedingt für die Ukraine Partei ergreift, in dem sie den Holodomor als Völkermord einstuft. Meines Erachtens ist das völlig absurd.
1. Es gibt unterschiedliche Auffassungen der Historiker, ob es sich tatsächlich um einen Völkermord gehandelt hat; einige plädieren dafür, andere nicht. Solange keine Einstimmigkeit vorherrscht, sollte man dieses Thema nicht behandeln, um den Verdacht der Parteiergreifung erst gar nicht aufkommen zu lassen.
2. Genozid bedeutet, dass eine Volksgruppe gezielt ausgelöscht werden soll. Die Deutschen haben den Judenmord geplant und durchgeführt. Das war definitiv Genozid.
Holodomor hingegen bedeutet übersetzt Hungersnot. Die herrschte in der Ukraine, aber eben nicht nur dort! In vielen Teilen der Sowjetunion verhungerten die Menschen. Der Grund war jedoch nicht, dass Stalin sich gesagt hat, er löscht jetzt mal die Ukrainer aus, sondern er hat sich dazu entschlossen, die Industrialisierung in seinem Land voranzutreiben und bezahlt hat er die dafür nötigen Güterimporte mit Getreide. Daher hat er den Bauern Zwangsabgaben auferlegt, mit dem Ergebnis, dass die eigene Bevölkerung nicht mehr ausreichend versorgt werden konnte.
Es war somit kein geplanter, gezielter Mord an einer bestimmten Volksgruppe, sondern ein Nebeneffekt des fanatisch besessenen Stalin, der sein Ziel der Industrialisierung über alles stellte und hartnäckig verfolgte.
Es handelt sich hier also eher um Totschlag und nicht um Mord, auch wenn im Ergebnis in beiden Fällen Tote die Folge sind, macht dies einen gravierenden Unterschied.