Das Geschäft mit der Einsamkeit

Man spricht von Einsamkeit, wenn man sich sozial isoliert fühlt. Ein jeder empfindet dabei anders, und heute kann theoretisch jeder etwas dagegen tun. Schwierig besonders für Frauen, die das 7. Lebensjahrzehnt schon überschritten haben, den Lebenspartner durch Tod oder Trennung verloren.

Nun, die einen sind zufrieden damit, sich mit anderen Alleinstehenden zusammenzufinden, gemeinsam zu verreisen und diversen Freizeitbeschäftigungen nachzugehen. Als ich Witwe wurde, habe ich das drei Jahre lang praktiziert, bevor in mir der Wunsch nach einem Lieblingsmenschen erwachte. Ich sehnte mich nach meiner 50jährigen Ehe wieder nach ein wenig Männlichkeit, nach dem Anderssein, das mein Leben immer inspiriert und bereichert hatte. Die Frauengruppen spiegelten zu sehr mein eigenes Schicksal, aber ich wollte noch einmal neu durchstarten.

Im Internet nach einem geeigneten Partner zu suchen, hatte ich ausgeschlossen, da stand mir meine Skepsis im Wege. Also begann ich, jedes Wochenende die Lokalzeitung nach Annoncen zu durchforsten, um herauszufinden, welche Männlichkeit im Alter 70+ auf der Suche nach einer Weiblichkeit war. Da ich damals noch mit einigen Sportarten meine Freizeit verbrachte, ordnete ich dieses Vorhaben unter „Annoncen-Jogging“ dort mit ein. Ich nahm es ziemlich locker und sportlich, immer mit der Maßgabe, dass man im Wettkampf eben gewinnt oder verliert.

Nach den ersten Versuchen stellte ich fest, dass in den Anzeigen geschönt, verschwiegen und gemogelt wurde. Bald schon gab ich nur noch meine Telefonnummer preis und bat um einen Rückruf, falls eine Kontaktaufnahme gewünscht wurde. Sowohl an der Stimme als auch an der Gesprächsführung ließ sich schon so manches erkennen. So ersparte ich mir unnötige Treffen, die in ein Nichts führten. Auch Arroganz und Beleidigungen, z.B. bezüglich Alter und Beruf, musste ich telefonisch zur Kenntnis nehmen. Insgesamt waren das interessante Erfahrungen.

Ich gewöhnte mich daran, dass mein Unterfangen viel mit der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen gemeinsam hatte. Dass ich trotz allem daran festhielt, habe ich einem Psychologen zu verdanken, der mir nach dem Tod meines Mannes riet, nicht allein zu bleiben, mir aber gleichzeitig prophezeite, dass ich wohl viele Frösche küssen müsste, bevor ich meinen Prinzen träfe. Und wie recht er damit hatte! Ich weiß nicht mehr, wie viele Frösche ich (ungeküsst) traf, aber es war eine spannende Phase in meinem Leben, in der ich meine Menschenkenntnis erweitern konnte.

Natürlich blieben auch Enttäuschungen nicht aus, da ich ebenso Ablehnung erfahren musste. Aber das erinnerte mich an die Zeit vor meiner Ehe, da war ich mehrmals unglücklich verliebt. Später machte ich mal eine Erfahrung der besonderen Art:

Irgendwann pausierte ich und entdeckte einen Artikel über einen sog. „Freundeskreis“, wo man die Möglichkeit bekommt, gezielt Kandidaten kennenzulernen, die zu meinem Persönlichkeitsprofil passen. Die Mitgliedschaft war richtig teuer, was m.E. mit der Seriosität und der Qualität des Vereins zusammenhing. Eine kluge und kompetente Frau flößte mir Vertrauen ein, und ich unterschrieb die Mitgliedschaft.

Nicht lange danach wurde das erste Treffen vereinbart, und prompt hatte ich das Vergnügen mit einem gutaussehenden sportlichen Mann, der mich zu einer gemeinsamen Radtour um einen See einlud. Während einer Pause in der Gaststätte lernten wir uns dann ein wenig kennen und ich erfuhr, dass er in Halle als Orthopäde in einer Klinik tätig ist. Mir fiel ein, dass ich beim Vorgespräch nicht nur von mir, sondern auch von meiner Familie gesprochen hatte.

Nach einer Woche trafen wir uns wieder zur Radtour, die Gespräche verliefen wieder sehr zurückhaltend, was er mit seiner Introvertiertheit begründete. Mein Bauchgefühl dagegen sagte mir etwas anderes… Das nächste Treffen sollte in einer Woche stattfinden, doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Zu Hause ließ ich alles nochmal Revue passieren und kam zu der Erkenntnis, dass da etwas nicht stimmte.

Ich hatte das untrügliche Gefühl, dass dieser Mann als Lockvogel agierte, um mich für den Verein zu gewinnen. In den Unterlagen stand, dass ich binnen einer bestimmten Frist aus dem Vertrag aussteigen konnte. Das tat ich umgehend, indem ich die Unterlagen zurückschickte und mich abmeldete.

Einige Zeit später nahm ich mein „Annoncenjogging“ wieder auf und glaubte, alles richtig gemacht zu haben, ich war skeptisch geworden und hatte auf mein Bauchgefühl gehört. Verunsichert war ich nur, weil ich mehr als ein Jahr danach nie wieder etwas vom „Freundeskreis“ gehört hatte, auch keine Bestätigung über meine Kündigung. Nun, diese Unbedarftheit blieb nicht ungestraft. Nach mehr als einem Jahr wurde ich zu einer Zahlung aufgefordert, die bei Nichteinhaltung auf dem Rechtsweg eingefordert würde, im Kleingedruckten konnte ich nachlesen, was ich nicht beachtet hatte. Das tat schon ziemlich weh, da ich nunmehr nicht für eine Dienstleistung, sondern für meine eigene Dummheit zahlen musste.

Daran muss ich immer denken, wenn über miese Betrügereien gegenüber Menschen berichtet wird, die ihrer Einsamkeit entfliehen möchten und dabei regelrecht über den Tisch gezogen werden. Mein einziger Trost war, dass ich inzwischen schon meinen Prinzen gefunden hatte…

Nein, wenn man es nicht möchte, sollte man, besonders im Alter, nicht allein leben. Das Finden eines Partners ist aufwändig, das Zusammenfinden dann nochmal eine große Herausforderung. Aber wo ein Wille ist, da gibt es auch irgendwann einen gemeinsamen Weg. Wenn die Chemie stimmt, Zuneigung von beiden Seiten und gleiche Interessen vorhanden sind, kann man mit der Beziehungsarbeit beginnen.

Sie endet wohl nie, lohnt sich aber von Jahr zu Jahr immer mehr…

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