Für die meisten Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft ist dieser Status kein Luxus, sondern eine überlebenswichtige Notwendigkeit.
Sie haben in ihrer Heimat Krieg und Vertreibung erlebt und erlitten, sind in menschenfreundlichere Länder geflohen, wollen sich aber den Rückweg nach Hause offenhalten. Der Vorwurf, Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft pickten sich aus den beiden Gemeinwesen, wo sie als Staatsbürger registriert sind, jeweils die Rosinen heraus, ist berechtigt, hat aber weniger mit ihrem Status als mit einer menschlich-allzumenschlichen Eigenschaft zu tun: Wer sieht nicht zu, wo er bleibt, wie er aus den gegebenen Umständen das Beste macht, wie er sich, ohne allzu sehr moralisch anzuecken, Vorteile verschaffen kann? Altruisten sind überall auf der Welt in der Minderheit, Egoisten können sich auf eine satte Mehrheit verlassen. Aber darin liegt auch gleich das Problem: Um dem eigenen Egoismus mit Nachsicht begegnen zu können, muss man ihn von anderen, angeblich viel schlimmeren Egoismen abgrenzen und als quasi notwendig darstellen. Schon in der Bibel wird Jesus die strikte Ablehnung solcher Abgrenzeritis zugeschrieben mit den Worten: „Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden.“ (Fast möchte ich hinzufügen: … der wird sich später zwanghaft selbst erniedrigen.) Anlass war das Gebet eines Pharisäers; der „betete bei sich selbst so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner.“ (Lukas 18,11) Anschließend zählt der Pharisäer auf, wie gut er sich selbst an Recht und Gesetz hält und begründet damit seine exklusive Daseinsberechtigung.
Das Muster ist ebenso simpel wie schäbig, die eigene Unzulänglichkeit dadurch zu verharmlosen und herunterzuspielen, dass man mit dem Finger auf die Unzulänglichkeiten der Anderen zeigt und nahelegt, diese für zehnmal schlimmer zu halten als die eigenen. Das Englische kennt dafür den schönen Ausdruck „Whataboutism“ – treffender kann man die Angewohnheit, Kritik zurückzuweisen, indem man nach kritischen Zuständen anderswo fragt, kaum beschreiben. Nicht minder schäbig ist es, die eigenen Vorzüge so zu überhöhen, dass daraus die Gewissheit erwächst, man habe es mehr als andere verdient, etwas ganz Besonderes zu sein.
Was in früheren Zeiten die warnenden Legenden über das Nachbardorf waren, in das man besser nicht einheiratete, sind heute die Narrative, Vorurteile und Klischees über andere Länder und deren Menschen. Die Negativ-Klischees werden natürlich nicht über alle anderen Länder verbreitet, sondern nur über solche, die vermeintlich dem eigenen Land nicht das Wasser reichen können. Verblüffend ist dann immer wieder, dass gerade Mitbürger, die mit unseren Regeln und Vorschriften selbst auf Kriegsfuß stehen, den Fremden die Missachtung von Regeln und Vorschriften vorwerfen, die Pfuscher den Fremden Pfusch und die Faulen den Fremden Faulheit. Verblüffend ist auch, wie in manchen Kreisen die sogenannten deutschen Tugenden ohne ihre problematische Kehrseite kommuniziert werden: Wer über Pflichtbewusstsein redet, sollte dessen Entartung zum Kadavergehorsam nicht ausblenden, wer das Loblied auf die Loyalität singt, sollte auch den Untertanengeist mitdenken; und wer deutsche Wertarbeit lobt, sollte über deren Einsatz zu Kriegszwecken Bescheid wissen. Die problematische Seite der sogenannten deutschen Tugenden hat in der Geschichte immer wieder dafür gesorgt, dass das Volk mit dem Hintern eingerissen hat, was es vorher mit fleißigen Händen aufgebaut hatte.
Doppelte Staatsbürgerschaft für alle – ist die Forderung nicht inkonsequent? Da bin ich doch lieber gleich für die Weltbürgerschaft aller Menschen: Gleiche Bedingungen, Chancen und Perspektiven für alle! Und weil Karl in einem Rutsch gleich noch die Mehrpersonen-Ehe fordert, erhöhe ich auf freie Partnerwahl für jeden. Frei nach Karl Marx: Der wirkliche Reichtum eines Menschen liegt im Reichtum seiner wirklichen Beziehungen zu anderen Menschen.
Den Schlagabtausch zwischen Karl und Meta genieße ich sehr, auch kann ich dabei gleich noch mein Wissen erweitern. Weiter so und vielen Dank!
Liebe Meta, was Du mir vorwirfst, tust Du selbst: Du überhöhst Deine Position, machst Dich zu etwas Besserem als die, die an realen Ordnungen, zum Beispiel nationalen, „kleben“. Wer Ordnungen auflöst, führt ein allgemeines Chaos und Durcheinander ein – im Übrigen im Christlichen ist der Teufel der große Durcheinanderbringer – und wundert sich dann über ein unverantwortlichliches Handeln derer, die sagen, ist ja nicht mein Land, sind ja nicht meine Kinder.
Wenn ich an Häuserwänden lese „No border – no nation!“, muss ich darüber lachen. Denn das Geld für die Sprühdosen und für Unterkunft und Verpflegung haben die Sprayer vom deutschen Steuerzahler und nur von ihm, nicht von einem europäischen oder den einer Weltgemeinschaft. Weder bei der EU in Brüssel, noch bei der UN in New York gibt es ein Sozialamt. Das gibt es in deutschen Städten für alle, nicht nur für Deutsche.
Wenn die Sprayer ihr Ziel erreichen und es gäbe keine (deutsche) Nation mehr, würden sie auch kein Geld mehr bekommen für ein sorgloses Leben, ohne zu arbeiten.