Brief an meinen Enkel (3)

Mein lieber Arvid, wenn Du willst, kommen wir wieder zusammen. Das verspreche ich Dir. 

Das Leben ist ungerecht. Leider. Du kannst nichts dafür, aber es ist, wie es ist. Wir hätten gut weiter Fernschach spielen können. Es ist mir nicht klar, warum du das so abrupt und rüde abgebrochen hast.

Ich vermute, Deinen Vater hat es gestört, dass wir noch wenigstens auf diese Weise in Kontakt waren, Du und Dein „Öpenfleisch“. Das finde ich gut an Dir, diese Kreativität beim Finden mehr oder weniger abwegiger Namen. Das erinnert mich an mich.

Ich lerne zu akzeptieren, was ich in einem bestimmten Moment nicht ändern kann. Ich nehme es hin wie einen starken Gegenwind und versuche, mich sozusagen seitwärts an eine ruhigere Stelle zu bewegen. Sich dagegen zu stemmen bringt genauso wenig wie sich treiben zu lassen.

Das eine fordert zu viel Kraft, das andere lässt einen leicht stolpern.

Wir können nur auf die Zukunft setzen. Vorläufig tragen Deine Eltern die Verantwortung für Deine gute Entwicklung. Von Jahr zu Jahr wirst Du sie selbst immer mehr übernehmen. Ich bin dann da, wenn Du in Beziehung zu mir treten willst.

Ich verstehe, wenn Du es in den nächsten Jahren noch nicht willst. Welches Kind begibt sich schon gern in Konflikt mit seinen Eltern. Das will ich nicht. Dann ist es mir schon lieber, dass wir noch ein paar Jahre mehr Abstand voneinander halten.

Wahnsinn, wie sich alles wiederholt! Eine Generation zuvor hatte ich solch‘ ein Problem schon einmal, aber da waren es meine Kinder. Wir kämpften gemeinsam um unseren Zugang zueinander.

Ironischerweise war es gerade Dein Vater, der erbittert um die Beziehung zu mir rang. Seine Eltern – also seine Mutter, Oma Katrin (siehe im 2. Teil des verlinkten Beitrages), und ich – sind schuld, dass er so ein erbitterter Kämpfer wurde. Wir konnten uns nicht einigen, wir konnten nicht friedlich zusammenleben, auf eine dramatische Weise ab dem 7. Jahr unserer Ehe. Deswegen musste Dein Vater hart werden, um nicht unterzugehen.

Seine Brüder, Deine Onkel, und ich haben manchmal gescherzt, wenn es zum Beispiel im gemeinsamen Urlaub ein Problem mit Dritten gab, das sich nicht so schnell lösen ließ: Na, dann müssen wir wohl den „Rammbock“ von der Kette lassen. Jetzt wendet sich das „Rammböckische“ gegen den eigenen Vater, gegen mich, Deinen Großvater, lieber Arvid.

Heute bin ich entschieden gelassener als damals: Die Eltern tragen die Verantwortung für ihre Kinder, nicht die Großeltern. Jetzt kann ich warten, ich muss nicht mehr versuchen, irgendetwas zu erzwingen. Das ist das Schöne am Stand des Großeltern-Seins.

Wahrscheinlich ist es für Dich nicht so leicht, aber es gibt entschieden Schlimmeres als die unterbrochene Großeltern-Enkel-Beziehung. Mein Vater, der damalige Opa Deines Vaters, Dein Uropa also, wollte gar nicht viel mit seinen Enkeln zu tun haben. Sie sollten ihn auf keinen Fall „Opa“ nennen, sondern mit seinem Vornamen anreden. Meine Mutter, die damalige Oma, setze durch, dass Dein Vater und seine Brüder doch ab und zu einmal zu Besuch kamen.

Dein Vater will im Ernst, dass ich mich dafür entschuldige, dass er vier- oder vielleicht sogar fünfmal hintereinander meine Einladung zu meinem Geburtstag ablehnte, einschließlich meines runden 70. Immer gab es irgendetwas, das ich ihm nicht recht machte. So war es auch beim letzten. Eigentlich hatte er schon zugesagt, dann doch wieder abgesagt.

Dadurch hat er auch wiederholt hintereinander verhindert, dass Ihr – meine Enkel – eine Chance hattet, Euch zu sehen. Sehr schade!

Und nur so konnte es zu dem Missverständnis kommen, dass ich dachte, er hätte mir nicht gratuliert. Dabei hatte er mir einen Brief an die Adresse geschrieben, von der er wissen konnte oder musste, dass ich mich dort nur noch selten und schon gar nicht um meinen Geburtstag herum aufhalte.

Außerdem: Gehört es nicht zur Aufmerksamkeit des Gratulierenden, den Weg der Gratulation zu wählen, den der Geburtstags-Mensch bevorzugt? Wenn jemand zum Beispiel Tauben hassen würde, wäre es doch nicht angemessen, eine Brieftaube mit dem Glückwunsch im Schnabel zu schicken. Dein Vater hasst WhatsApp als Kanal des persönlichen Austausches. Er will mir unbedingt seinen bevorzugten aufzwingen: Telefonate oder Briefe.

Wenn er der Geburtstags-Mensch wäre, würde ich es akzeptieren, den Kommunikationsweg zu wählen, der er bevorzugt. Aber bei meinem eigenen Geburttag?

Nur so viel zum Grund der „Eiszeit“ zwischen Deinen Eltern und mir. Ich finde, Du hast ein Recht, ihn zu kennen, denn schließlich bist Du ja direkt betroffen.

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