Weißt du, … („Autismus“ 5)

was ein „Chef“ oder „Boss“ ist, habe ich einen 5-jährigen Jungen gefragt, der vom Kinderarzt als „Autist“ diagnostiziert wurde. Er wusste es nicht, wächst allerdings auch zweisprachig auf. Er versteht sonst fast alles, „wenn er will“, erklärt seine Mutter. Ich habe es ihm in Ruhe erklärt: Ein Chef ist der, der bestimmt, was andere machen sollen. Wenn es dein Chef ist, bestimmt er, was du zu tun hast. Er guckt an mir vorbei. Hast du das verstanden? Er will ausweichen, es wird ihm langweilig. Er macht es so wie immer: Er will einfach aufstehen und sich von dem entfernen, der „nervt“.

„Bleib‘ sitzen! Sieh‘ mich an!“ Sanft-bestimmt drücke ich ihn auf seinen Stuhl zurück. Er ist verwundert. Das kennt er nicht. „Siehst du, jetzt bin ich mal kurz dein Chef. Ich bestimme, was du tun sollst. Du sollst sitzen bleiben und mich ansehen.“ Pause. Die Mutter ist dabei. Ich spüre deutlich, es gefällt ihr nicht, wie ich mit ihrem Sohn rede. Sie würde sagen: „Bleibst du bitte sitzen?“ oder „Kannst du bitte mal sitzen bleiben?“ Ich frage sie: „Haben Sie Ihrem Sohn jemals erklärt, dass Sie sein Boss sind, dass Sie entscheiden, wenn keine Zeit ist für Diskussionen und dass diese Entscheidung dann gilt?“

Sie schaut mich verständnislos an. Dann sagt sie: „Ich erteile meinem Sohn keine Befehle. Ich versuche, ihn partnerschaftlich von dem zu überzeugen, was er tun soll.“ Ich: „Meistens geben Sie dann nach, weil Sie die Klügere sind und auch mal Ihre Ruhe brauchen, der Junge ist als Autist ja schließlich anstrengend genug.“ „Ja, so ist es“, antwortet sie.

„Wie soll Ihr Sohn denn lernen können, sich auf andere Menschen auszurichten und auf sie zu hören, wenn Sie ihn nie diesbezüglich instruiert haben? Etwa in der Art: ‚Kinder müssen auf ihre Eltern und andere Erziehungs-Personen hören. Ich erteile dir so wenig Anweisungen („Befehle“) wie möglich. Das Meiste möchte ich freundschaftlich mit dir klären. Aber wenn ich dir etwas klipp und klar sage, dann hast du es zu tun!'“ Das dem Kind zu sagen, ist nötig, aber noch nicht einmal die „Zehntelmiete“. Viel entscheidender ist, den Worten eine praktische Bedeutung zu geben und das geht nur durch Handeln, nicht primär durch Reden.

Hat sich ein Kind schon lange etwas Falsches angewöhnt, wird es schwer. „Wieso soll jetzt nicht mehr funktionieren, was früher immer geklappt hat?“, fragt es sich unbewusst und steht zum Beispiel auf, obwohl es sitzen bleiben soll. Jetzt ist Intuition gefragt. Was hilft, um die Machtverhältnisse zu klären? Viele heutige Eltern weigern sich, in der Beziehung zu ihrem Kind auch ein Machtverhältnis zu sehen. Haben sie rechtzeitig mit ihm das richtige Verhalten eingeübt, sanft und bestimmt zugleich und mit dem richtigen Gefühl für das, was ein Kind in seinem Alter schaffen kann, ist es fast nie nötig, auf die elterliche Macht zu pochen. Haben Eltern das verpasst, meistens aus Liebe, manchmal auch aus Desinteresse am eigenen Kind und seiner Entwicklung durch Erziehung, stellt sich die Frage im Laufe der Jahre immer deutlicher:  Wer hat das Sagen, die Eltern oder das Kind?

In diesem Fall könnte helfen, dem Kind energisch zu sagen, dass es sitzen bleiben muss. Das wirkt aber nur dann, wenn die Eltern im Allgemeinen ruhig und freundlich mit ihm reden, dann fällt das Besondere jetzt auf: „Ich will, dass du kurz sitzen bleibst, nicht lange! Sieh‘ hier auf die Uhr, nur zwei Minuten, bis der große Zeiger dort ist!“ Und wenn das Kind das geschafft hat, ist viel Lob fällig, das weiter führt: „Später probieren wir mal, ob du 3 Minuten schaffst!“ Langsam könnte so ein Kind lernen, beziehungsfähig zu werden. Nicht nur die Zeitdauer muss geweitet werden, sondern auch die Aufgabenbreite: Vom passiven Sitzenbleiben geht es zum aktiven Tun: Nachdem du aufgestanden bist, räumst du alle Löffel, später vielleicht Tassen in den Geschirrspüler und nicht, so lange du „Lust darauf“ hast, sondern bis du tatsächlich fertig bist. Und wieder darf das Lob nicht vergessen werden.

Handlungen müssen Folgen haben, keineswegs nur negative, sondern vor allem positive. Die negative Folge muss nicht aggressiv sein, sondern mit stoischer Ruhe wird darauf bestanden, dass ein Kind etwas, was es nicht erledigt hat, doch noch bis zu Ende ausführt. Zumindest der gute Wille ist gefragt, dann wird ihm geholfen. Verweigert es sich ganz, gibt es etwas, was es selbst gern tun will, z.B. ein Video zu sehen, erst dann, wenn sich auch das Kind auf das hin bewegt hat, was seine Eltern wünschen. Das Leben ist ein Geben und Neben. Das verstehen auch Fünfjährige, wenn es ihnen ruhig erklärt wird, ohne zu viel Worte und ohne zu viel Aufregung.

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