Wie ich zu meinem immer noch schlechten Englisch kam

In den Schulen der DDR war Englisch die am häufigsten gewählte 2. Fremdsprache. Die erste Fremdsprache war für alle Schüler Russisch; da kam man nicht drumherum.

In dem „Institut zur Weiterbildung ausländischer Deutschlehrer“, das nach einigen Jahren Schulpraxis an einer Polytechnischen Oberschule mein Arbeitsplatz wurde, kam das Kollegium mit Russisch gut zurecht, waren doch alle Kursteilnehmer aus „sozialistischen Bruderländern“, also mehrheitlich aus Ländern, deren Sprache zur slawischen Sprachfamilie gehörte. Dann kam die Wende und von einem Tag auf den anderen musste sich die Dozenten, soweit sie nicht abgewickelt wurden, auf ganz andere Herkunftssprachen einstellen. Als Arbeitssprache, die alle Beteiligten mehr oder weniger verstanden, quasi als kleinster gemeinsamer Nenner in den gemischten Übungsgruppen kam neben Deutsch eigentlich nur Englisch in Frage.

Zwei Jahre später wurde ich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, an einem dreijährigen Euro-Projekt für Fremdsprachendozenten teilzunehmen, das sich mit der Messbarkeit von sprachlichen Verstehensvorgängen befasste. Jeweils zwei Vertreter sollten aus Frankreich, Portugal, den Niederlanden, Großbritanien, Finnland und eben auch Deutschland kommen. Der niederländische Kursleiter, der schon Erfahrungen mit solchen Projekten gesammelt hatte, schlug vor: „Die Arbeitssprache handeln wir von Sitzung zu Sitzung aus, wir wechseln an besten zwischen Deutsch, Französisch und Englisch; das müsste für alle Beteiligten zumutbar sein.“ Die Abschlussdokumentation sollte dann in der jeweiligen Muttersprache der Projektteilnehmer verfasst werden. Die beiden finnischen Kollegen, die ein ausgezeichnetes Englisch sprachen, waren sofort einverstanden. Die Portugiesen konstatierten lakonisch, dass sie mit keiner der drei Sprachen ein Problem hätten, und es stellte sich bald heraus, dass diese Einschätzung nicht übertrieben war. Auch die Niederländer wechselten bei Bedarf locker von Deutsch auf Französisch oder Englisch. Dagegen taten sich die beiden französischen Kolleginnen schwer, ihre muttersprachliche Komfortzone zu verlassen; die beiden Dozenten aus UK versuchten es erst gar nicht. Wir deutschen Kollegen mit unseren DDR-typischen Fremdsprachenkenntnissen gaben uns alle Mühe, wenigstens ab und zu ins Englische zu wechseln. Die Fachdiskussionen wurden freundschaftlich, lebhaft und kontrovers geführt – und nach zwei halbherzigen Versuchen, die drei ausgemachten Sprachen zum Zuge kommen zu lassen, dann doch nur noch auf Englisch.

Da ich von meinem konzeptionellen Ansatz sehr überzeugt war, holte ich alles aus mir heraus, was mein schlechtes Englisch im Bunde mit Händen und Füßen so hergab, und stellte am Ende fest, dass meine abenteuerlichen Konstrukte jedenfalls dazu geführt hatten, dass die Kollegen meinem Konzept zustimmten. Einen derart schweißtreibenden Crashkurs habe ich nie wieder in meinem Leben absolvieren müssen. Aber seitdem kann ich englischsprachige Fachartikel relativ problemlos verstehen. Schreiben tue ich sie jedoch nach wie vor viel lieber auf Deutsch, das in seinen Ausdrucksmöglichkeiten und seinem Nuancenreichtum dem Englischen deutlich überlegen ist.

7 Kommentare zu “Wie ich zu meinem immer noch schlechten Englisch kam”

  1. Karl sagt:

    Ich habe mir selbst schon geglaubt, liebe Meta, aber wenn es noch einer Illustration für meine These bedurft hätte, dass die Deutschen allzugern aus „Strebergründen“ das Deutsche durch das Englische ersetzen, hast du sie mit diesem Beitrag geliefert.
    Außerdem frage ich mich, wieso Institutionen, insbesondere „europäische“, die ständig die Diversität und Pluralität wie ein Banner vor sich hertragen, so schnell in die englische Monokultur zurückfallen. In der Tat, 9, 10 unterschiedliche Sprachen taugen nicht für einen intensiven Arbeitsprozess, aber warum nicht drei?

  2. Zufälliger Besucher sagt:

    also in meiner persönlichen „Bubble“ kann fast jeder Englisch. Eine Handvoll kann eine weitere Sprache. Ein einziger (inzwischen Prof. Dr. Dr., er sammelt irgendwie die Titel 😉 ) antwortet auf die Frage, wieviele Sprachen er spricht, meist mit „meinst du akzentfrei oder fließend…?“
    Ich persönlich vermute einfach mal, Englisch ist am praktischsten und die am weitesten akzeptierte und am meisten verstandene Sprache. Ich durfte auch noch eine kombinierte DDR-Ausbildung an POS und EOS genießen und hatte 7 Jahre Russisch. Da man es wichtiger empfand uns die Lehrsätze Lenins sowie eine Wegbeschreibung vom GUM zum Roten Platz auswändig lernen zu lassen, statt uns die Sprache richtig beizubringen, ist von meinem Russisch inzwischen nichts mehr übrig, das eigentlich mit 2 Wochenstunden stiefmütterlich behandelte Englisch verstehe und spreche ich fließend. Vor die Wahl gestellt, würde ich mich auch für Englisch in einer internationalen Arbeitsgruppe entscheiden, wenn sich genügend für Deutsch entscheiden, wäre ich natürlich erfreut, aber da geht es sicher dem Tschechen, Ungarn, Polen Griechen oder Spanier mit seiner Muttersprache genau so wie mir.

    Obwohl es unhöflich ist: Lieber Karl: Ist deine Abneigung dem Englischen gegenüber vielleicht versteckter Neid gegenüber jenen, die es spontan in jeder Situation annehmen können und einfach in „international“ weiter plaudern? Ich verstehe es nicht, warum und aus welchen Gründen irgendwie die deutsche Sprache Vortritt haben sollte. Nur weil wir so reich sind? Sehr schlechtes Beispiel, aber vielleicht anschaulich: Sollte automatisch jener Einkommensmilliardär, der sich entschließt ein Gewerkschaftsmitglied zu werden, automatisch zum Vorsitzenden werden, nur weil er mit seinem Beitrag von 1% vom Bruttogehalt der größte Einzahler ist?
    Englisch ist meiner Meinung nach der kleinste gemeinsame Nenner in der Sprache, zumindest in den meisten internationalen Teams, die ich kenne. Und die meisten aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, sagen, dass die deutsche Sprache wesentlich komplizierter ist, als Englisch. Deswegen ist wahrscheinlich bei reinen Sachthemen das Englische am einfachsten universell einsetzbar.
    Beim Thema Wissen dominiert es einfach. 2/3 der Weltliteratur kommen aus dem Englischen. Es bedeutet eine deutliche Wissens- und Horizonterweiterung, diese Sprache zu beherrschen. Deutsch ist zwar mit 12% Anteil an der Weltliteratur noch deutlich vorn, aber gegenüber dem Englischen abgeschlagen. Von einer Diskussion bezüglich cineastischer Erlebnisse mit englischem Originalton gegenüber den üblichen aber meist sehr schlechten deutschen Synchronisationen mag ich jetzt gar nicht anfangen.
    Deutsch ist auf internationaler Ebene einfach „out“! Nimm’s zur Kenntnis und akzeptiere es, fröne Deinem Hobby, Deutsch als Sprache hochzuhalten, aber lass jene in Frieden, die es anders sehen 😉
    Und um auf Deinen Artikel zurückzukommen: Natürlich sollte eine Außenministerin auf Englisch kommunizieren. Sie richtet sich schließlich nach außen. Da kommt sie auf Deutsch nicht wirklich weit über unsere Grenzen hinaus. Repräsentatives Handwerk ist der Job des Bundespräsidenten. Just my 2 Cents 😉

    1. Karl sagt:

      Noch so’n Streber, dem seine persönliche Leistungsfähigkeit über alles geht und der dafür auch gern auf das Eigene verzichtet. Oder anders herum: Früher waren die Deutschen dafür berüchtigt, fremde Länder zu erobern. Heute „überfallen“ sie fremde Sprachen und okkupieren sie für sich.
      Natürlich muss ein Politiker zuerst und prinzipiell in der Sprache seiner Wähler reden, auch ein Außenpolitiker. (Er kann seine Sprachkünste dann ja immer noch im vertraulichen Gespräch unter vier Augen zur Geltung bringen.) Schließlich müssen die Wähler wissen, ob sie ihn wiederwählen wollen/können. Wozu gibt es professionelle Übersetzer und wozu leistet die EU sie sich?
      Man kommt ja auch deswegen mit dem Deutschen in der Welt nicht allzu weit, weil es die Deutschen selbst sind, die Deutsch boykottieren. Im Ausland wiederholt erlebt: Ein unbedarftes Kind deutscher Touristen redet mit dem Kellner oder der Verkäuferin Deutsch. Dann kommen die Eltern, ignorieren, was sie gerade gehört haben und wollen partout ihr Englisch vorzeigen.
      In Deutschland sind die älteren Frauen an der Kasse das letzte Bollwerk der deutschen Sprache. Sie bleiben genauso selbstverständlich bei Deutsch wie eifrig die jüngeren auf Englisch umschalten, sowie es auch nur geringe Anzeichen dafür gibt, dass einer nicht Deutsch sprechen kann bzw. will. Ob das dazu motiviert, Deutsch zu lernen, ist die Frage.

      1. Zufälliger Besucher sagt:

        Lieber Karl, wie Du richtig erkannt hast: Früher waren die Deutschen dafür berüchtigt, fremde Länder zu erobern. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Heute zeigt es Respekt der Welt gegenüber und eine Weltoffenheit, nicht auf deutscher Sprache zu sprechen. Es zeigt: Wir haben auch Eure Interessen im Blick und wir verstehen Eure Sorgen. Die Zeiten ändern sich nunmal. Da nutzt es auch nichts, in Kleinkindmanier mit dem Fuß auzustampfen und zu sagen „Nein, ich esse meine Suppe nicht“ äääh „ich weigere mich, andere Sprachen zu sprechen und zu verstehen.“
        Ein „Streber“ ist übrigens der, der sich sehr ehrgeizig und in egoistischer Weise bemüht, in der Schule oder im Beruf vorwärtszukommen. Und, meiner Meinung nach, auf der eigenen Sprache als einziges Kommunikationsmedium zu bestehen, weil es so toll (mal war) ist und wir die teuersten Eintrittskarten gekauft haben, das ist schon sehr egoistisch.
        Man kann ganz freiwillig etwas Neues lernen und es versuchen anzuwenden. Aber es gehört schon eine ordentliche Portion Sturheit dazu, eine sich verändernde Welt nicht zur Kenntnis zu nehmen und sich wandelnde Sitten mit verweis auf Früher zu ignorieren. Da reicht das Wort „konservativ“ schon gar nicht mehr aus.
        Die deutsche Sprache zu pflegen und zu gegebenen Zeiten Englisch zu sprechen schließt sich ja zudem nicht aus. Ich verstehe immer noch nicht, worin genau das Problem besteht, auf das du zunehmend gereizt reagierst. Angst vor dem Fremden. Bedauern und/oder Neid, kein Englisch zu können? Oder ein stures, „Ich mag es nicht, ich will es nicht und Basta!“? Dann ist allerdings der Ansatz einer Diskussion sinnfrei.

        1. Karl sagt:

          Nicht aggressiv, nur ein bisschen wehmütig, was ja wohl erlaubt sein wird, wenn die eigene Sprache Schritt für Schritt mehr „aus dem Haus geht“, wenn Deutsch-Land mehr und mehr seine eigene Sprache ab- und aufgibt und zu Englisch-Land wird. In der Küche sozusagen sollen wir dann ja noch rein Privates auf Deutsch sagen dürfen, wie der ehemalige CDU-Ministerpräsident und EU-Kommissar Günther Öttinger uns großzügig zubilligt. (Das sagen die – westdeutschen- Politiker, denen Hochdeutsch schon immer zu schwierig war. Sie springen von ihrem Dialekt dann lieber gleich zu Englisch.) Aber alles, was wichtig ist, soll auf Englisch gesagt werden. Ich glaube es noch nicht ganz, bin aber jetzt schon traurig.

  3. Marlen sagt:

    „Das eine tun, ohne das andere zu lassen“!

    Das wäre mein Vorschlag zur Güte, meine Idee zum Diskurs Deutsch – Englisch.
    Karl kämpft, wie ein Don Quichotte vergeblich, um zu verhindern, dass sich Englisch immer weiter ins Deutsche einfräst. Er liebt, genau wie ich auch, die Schönheit der deutschen Sprache, sie gehört zu unserer Kultur. Deshalb haben wir auch das Recht und die Pflicht, sie zu hegen und zu pflegen, damit sie nicht verwahrlost oder ungebraucht immer mehr in Vergessenheit gerät.
    Es ist notwendig, sie im Alltäglichen, in deutschen Amtsstuben, in Lehr- und Kultureinrichtungen auf gutem Niveau als Deutsche und Deutschsprachige durchgängig zu benutzen.
    Dass die junge Generation die Liebe zur englischen Musik frönt, kann man nicht verhindern, man kann auch das Englische nicht verbieten, alles hat seine Ursache und hat sich im Laufe der Zeit so entwickelt. Das sollte man aushalten können…
    Ich selbst bin des Englischen nicht mächtig, aber tolerant genug um einzusehen, das Englisch wohl das Rennen als „Weltsprache“ macht. Deutsch eignet sich schon aufgrund seiner schwierigen Grammatik und der Konsonantenhäufung nicht. Jeder Ausländer, der Deutsch lernt, wird das wohl bestätigen.
    Jedoch macht es die Globalisierung insgesamt erforderlich, dass es eine gemeinsame Sprache geben muss um sich zu verständigen.
    (Der Turmbau zu Babel scheiterte auch nur, weil Gott den Baumeistern die gemeinsame Sprache entzog.)
    Englisch eignet sich gut für alle, es ist keine orthodoxe Sprache mit festen Regeln und Vorgaben. Es gehört nicht zu einem bestimmten Land, es entwickelt sich ständig neu, es gehört allen, und alle können es mit prägen.
    Jede Nation möge ihre Sprache hegen und pflegen, auch wenn ihre Bürger auf der ganzen Welt unterwegs sein möchten oder müssen und aus diesem Grund sich die sog. „Weltsprache“ zusätzlich aneignen. Was ist daran verwerflich?
    Nichts.
    Bei aller Toleranz muss ich doch etwas Kritisches bemerken. Es gibt, besonders im Osten, immer noch eine, nämlich meine, Generation, die Englisch nicht in der Schule erlernte. Um mit dem Computer umgehen zu können sowie in Vorbereitung auf Reisen haben sich viele in Weiterbildungen bemüht, sich Begriffe und Redewendungen einzuprägen.
    Aber es ist eine große Rücksichtslosigkeit, wie man mit Englisch bei den Älteren Verwirrung und Verunsicherung erzeugt, da sie ja kein Gespräch führen können.
    Da bin ich nun wieder ganz bei Karl.
    Bei mir ergab es sich, dass ich Englisch nie beruflich benötigte, im späten Lebensalter mich zwar bemühte, aber auch nur um das Notwendigste. Soll heißen, dass ich auf mein geliebtes Deutsch zurückgeworfen bin. Und?
    Das ist gut so!
    Nur manchmal komme ich mir trotzdem ziemlich hilflos vor…
    (Marlen)

    1. Karl sagt:

      Gott ließ den Turmbau zu Babel scheitern, indem er den zu hochmütig gewordenen Menschen die gemeinsame Sprache entzog, sagt Marlen und sie hat recht. Was wird nun Gott dazu sagen, dass wir sie – quasi durch die Hintertür – wieder einführen?
      Aber ich rege mich sowieso nicht auf. Vor kurzem habe ich gelesen, dass die „Gemeinschaftssprachen“, die es schon immer gab, immer dann verschwunden sind, wenn neue aufstrebende Völker mit ihrer Sprache auf den Weltenplan traten. Außerdem ist das doch für das Strebertum der Deutschen eine wunderbare neue Herausforderung. Die ersten Eltern schicken ihren Nachwuchs schon in Kindergärten mit der Möglichkeit, Chinesisch spielerisch zu lernen.

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