Schall und Rauch

Die Welt ist voller Texte, die Welt erstickt an ihren Texten,

die niemand mehr in Gänze lesen kann. Und die auch oft nicht lesenswert sind, da hat Karl recht. Doch „Wer nennt geschrieben, was nicht gelesen wird?“, soll bereits der alte Lessing gefragt haben. Zu glauben, man habe noch etwas Neues zu sagen oder etwas bislang als unsagbar Geltendes in Worte zu fassen, zeuge von notorischer Selbstüberschätzung, sagen die Zyniker. Oder von zu viel Muße, der man durch das Ausposaunen von handgeklöppelten Altersweisheiten ein Daseinsrecht verschaffen will, sagen die Ironiker. Muße kann etwas Bedrohliches sein, weiß ein altes Sprichwort und geißelt den Müßiggang als „aller Laster Anfang“. Aber sogar die Laster sind im Alter nicht mehr das, was sie einmal waren. Wozu also die sinnlose Anstrengung des Texte-Schmiedens? Wozu auf das Überangebot von Worten mit weiteren Worten reagieren wollen?
Zumal, Worte sind keine Taten. Worte sind nur Worte… – und spätestens jetzt schleicht sich ein Aber ein: Aber Wörter, wenn sie sich im Text vernetzen, können flügge werden, zu „Geflügelten Worten“ avancieren, können beflügeln und Gedankenflüge bewirken, die wiederum zu Taten führen. Wörter zeigen erst im Text, wozu sie fähig sind; ihre Bedeutungsaura kann unberechenbar sein. In assoziativen Spielräumen kann ein großer Reiz liegen, der Menschen dazu bringt, auch weiterhin Texte zu verfassen.

Zum Beispiel Gedichte, denen im Idealfall das Kunststück gelingt, mit ver-dichteten Wortgebilden ein Höchstmaß an Impulsen für die Sinngebung zu setzen. Mit dieser Materie habe ich mich Zeit meines Lebens beruflich beschäftigt, meist analysierend, selten produzierend. Es fehlte die Muße. Jetzt habe ich sie und bin gespannt, was geschieht, wenn ich mich im Dialog mit Karl dieser selbst verordneten Aufgabe hingebe: aus antiquarischen Bauteilen eine neue Kreation zu erschaffen. Wie ein Goldschmied, der altem Edelmetall durch Einschmelzen und Wiederverwerten in anderer Gestalt oder zumindest durch Aufpolieren neuen Glanz verleiht. Oder wie eine Schneiderin, die einen abgewetzten Mantel auf Links dreht und ihm durch weitere Kunstkniffe zu einer zweiten Chance verhilft.
Und dann gibt es ja neben den frisch recycelten Textexemplaren auch noch die höchstpersönlichen Geschichten, die kleinen Anekdoten und Legenden, die immer besser geworden sind, je öfter man sie im Freundeskreis zum Besten gegeben hat. Jetzt wollen sie ihre finale Gestalt erlangen. Vielleicht stoßen sie ja doch auf größeres Interesse. Mit anderen Worten: Die Spielwiese ist eröffnet!

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