„Die Kosten des Jugendamtes explodieren: Bei Schulbegleitung soll gespart werden“

(Auch) Zur Erinnerung an Tante Christa

So die Überschrift der Leipziger Volkszeitung vom 17.10.25 auf S. 23. Die „Opas“ mal nicht gegen was, sondern für etwas, nämlich fürs „Gutsein“, barmen unterm „Runden Tisch“: „Wir brauchen noch viel mehr ‚runde Tische‘, und nur dadurch, dass wir sie nicht haben, entstehen die Probleme“.

In Wirklichkeit bricht das System des gutmeinenden Wunschdenkens zusammen: Es war mir schon immer klar, seitdem ich bewusst denken kann, also seit den 70-er Jahren des vorherigen Jahrhunderts: Vor dem Fressen kommt die Moral.

Natürlich andersherum: Das Fressen kommt vor der Moral. Sie sehen, auch ich bin vom Wunschdenken befallen – offenbar ist das sehr menschlich -, aber leider, die Welt, sie ist nicht so. Vor der ellenlangen Zeit, die wir den Menschen gönnen, die Probleme haben, kommen entwickelte Produktivkräfte, ein materielles Bruttosozialprodukt, das diese ideellen Segnungen erst ermöglicht.

Vor der individuellen Ausnahme kommt die eingeübte Regel, die für alle gilt. Vor der Kreativität, etwas Eigenes zu schaffen, kommt die Fähigkeit, Rücksicht auf die Interessen und Bedürfnisse der Mitmenschen zu nehmen. Diese Fähigkeit ist nicht von alleine da – Ausnahmen bestätigen wieder die Regel -, sie muss lebensstromaufwärts eingeübt werden. Das ist anstrengend, es erfordert viel Kraft und erzieherische Energie; denn nur zu gern wollen sich Menschen – immer wieder – den Lebensstrom abwärts treiben lassen (Ich will aber, und ich will das jetzt!).

Das führt auch zu erzieherischen Kämpfen und wer heute im „freien Westen“ etwas gegen die Bedürfnisse – oft sind es in Wirklichkeit eher „Gelüste“ – kindlicher Individuen durchsetzen will, hat von vornherein schlechte Karten. Hier in Deutschland. Viel leichter und angesehener ist es, mitzuschwimmen bei dem, was die „Kids“ wollen. „Sei doch nicht so verknöchert, lass‘ sie doch rauchen, die Kids.“ Laut Gesetz dürfen sie das zwar erst ab 18. Aber wen interessieren in Deutschland schon Gesetze und wer setzt sie dann auch noch durch? Das ist eindeutig zu viel verlangt – merken Sie selbst.

Und weil die „Kids“ das an jedem Tag in ihrem Alltag erleben, fahren sie dann mit dem Rad auf dem Gehweg (auch wenn sie schon längst älter als 10 Jahre sind), genauso wie ihre Ommas und Oppas (obwohl diese die Altersgrenze auch schon „knapp“ überschritten haben). Wer interessiert sich in diesem Land schon für Recht und Ordnung? Keiner! Da muss man schon extrem drauf sein, um das zu tun. Linksextrem? Nein, die bewerfen lieber Polizeireviere und Polizisten mit großen Steinen oder brennen Kabelschächte der Deutschen Bahn an. Deswegen sind sie auch bei weitem nicht so gefährlich wie Rechtsextreme, die das beides nicht tun, aber vielleicht eine Bewegung mit ihrem Arm oder ihrer Hand ausgeführt haben, die von weitem so aussieht, als ob sie verboten sein könnte. Wir leben eben in einem freien Land.

Komischerweise sollen dann die jungen Bürger akzeptieren und praktizieren, dass sie als Fahranfänger nur mit 0,00 Promille unterwegs sein dürfen und dass schon ein bisschen Alkohol verboten ist, desgleichen illegale Drogen – da hört der Spaß dann plötzlich auf, nachdem jahrelang Großzügigkeit herrschte und Regeln und erst recht ihre Durchsetzung nicht so genau genommen wurden. Auch Steuererklärungen sollen plötzlich exakt abgegeben werden, nachdem die „Kids“ in ihrem ganzen bisherigen Leben, zu Hause und in der Schule, erfahren haben, dass Regeln sowieso nicht gelten.

Vor über 10 Jahren habe ich an anderer Stelle Folgendes geschrieben:

„Die Balance zwischen der persönlichen Freiheit, den individuellen Ansprüchen und Rechten des Einzelnen und dem, was für die Entwicklung der Gemeinschaft, einer Familie oder Schule wichtig ist, wurde in Deutschland Jahr für Jahr immer mehr in Richtung auf das vereinzelte Individuum verschoben. Und dann wundern sich unsere Eliten, dass unerzogene Menschen als Hooligans ihren infantilen Zerstörungsgelüsten freie Bahn lassen. Und außerdem sind wir – tatsächlich! – nicht allein auf dieser Welt. Immer mehr gebeutelte und traumatisierte Menschen kommen zu uns, weil es hier – vorläufig insgesamt trotzdem noch – eine geregelte Ordnung gibt.

Wenn wir aber unter diesen Bedingungen weiter das individualistische Denken fortsetzen, brauchen wir z.B. in jeder Klasse bald immer mehr persönliche Integrationshelfer, ‚Schulbegleiter‘. Das scheitert schon allein am Platzmangel im Klassenraum, und das kostet so viel Geld, dass für die reguläre Bildung und Erziehung immer weniger übrig bleibt. Es müssen weiter 28 Schüler, anstatt z.B. 15, in eine Klasse gehen, nur damit immer mehr einzelne ‚Gestörte’/1/ persönlich und individuell betreut werden können. Das ist ein Widerspruch in sich, weil dann zu Recht die anderen Schüler und Eltern, die sich zu kurz gekommen glauben, opponieren, was nach einer Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation – ICD 10 – wieder Symptom einer psychischen Krankheit bzw. Behinderung ist, so dass sie sich endlich auch den Anspruch auf einen persönlichen Unterstützer ‚erarbeitet‘ haben.

Am Ende haben wir 28 Schüler, 20 persönliche Begleiter (nur 7 ewige ‚Streber’ glauben, sie seien etwas Besseres) und nach wie vor nur einen unterrichtenden Lehrer, der irgendwann auch dem Leiden eines oppositionell-aufsässigen Verhaltens anheim fallen wird oder zumindest in den Burnout oder die Depression und dann selbst einen Schulbegleiter braucht, der bald auch einen braucht. Das ist die Logik unserer Sozial(pädagogik)industrie; Milliarden werden damit verdient. Eine gestörte Gesellschaft, die sich nicht von Grund auf ändern und weiter den Individualismus als Lebensprinzip pflegen will, muss diesen Weg einer Flickschusterei gehen. Für mich liegt ganz klar auf der Hand, dass er in die Irre führt.

Die Lösung kann nicht in der immer besseren ‚therapeutischen‘ Versorgung einzelner Gestörter durch persönliche Beauftragte liegen, sondern sie liegt in der grundsätzlichen Verbesserung der Beziehungen zwischen Kindern, Eltern und Lehrern, durch ein ganz ‚gewöhnliches‘, gutes pädagogisches Handwerk, zu dem zwingend auch die Verbesserung der Beziehungen zwischen allen verantwortlichen Erwachsenen gehören muss. Das heilt. Nichts heilt so sehr wie das.“

Jetzt ist es also so weit: Der Wahnsinn bricht in sich zusammen. Dieses System der totalen Individualisierung, des „Das Individuum über alles“ statt die Gemeinschaft, die Familie, die Schule, den Sportverein, die Stadt/das Dorf, die Nation an die erste Stelle zu setzen, zerstört sich selbst.

China und die anderen BRIX-Staaten müssen die Effizienz ihrer Wirtschaft durch ein entschieden besseres Bildungssystem – China ist bei allen internationalen Schulleistungsvergleichen obenauf – gar nicht mehr so sehr steigern; es reicht, wenn sie warten, bis sich der „freie Westen“ auf diese Weise selbst zerstört, weil ihm immer mehr Menschen fehlen, die bereit und willens sind, ordentlich und gewissenhaft einer Arbeit nachzugehen. Es geht gar nicht in erster Linie um die qualifizierten Überflieger. Die kann auch eine individualistische Gesellschaft generieren; es geht um eine Mehrzahl junger Menschen, die bereit ist, ausdauernd, zuverlässig, pünktlich, genau und gewissenhaft zu arbeiten.

In den 60-er Jahren habe ich regelmäßig mittags, wenn ich aus der Schule kam, den „Soldatensender“ gehört, einen Sender aus der DDR für die Angehörigen der damaligen Bundeswehr. Es war die Zeit, in der viele „Starfighter“, amerikanische Düsenjäger, abstürzten.

Der Moderator machte sich darüber lustig und sagte, wenn man einen Starfighter haben wollte, sollte man nur ein Stück Acker in der BRD kaufen, dann müsste man gar nicht mehr so lange warten und schon hätte man einen, wenn auch nur ein Bruchflugzeug. Diese Analogie dazu, dass auch China nur warten muss, der „dumme“, „freie Westen“ zerstört sich schon selbst, fiel mir gerade in diesem Zusammenhang ein. Wobei Deutschland im Westen besonders „dumm“ ist, weil es jede Form der Gemeinschaftlichkeit kappt, nicht nur die familiäre, sondern auch die nationale (siehe Genaueres dazu unten weiter).

Auf dem Gebiet der Bildung – und Erziehung, da gute Bildung nur mit erzogenen Kindern gelingt, die gelernt haben, ihre eigenen Triebe zugunsten der Lösung einer Lernaufgabe zu zügeln – entscheidet sich, welches System, das asiatisch-östliche oder das westliche, dauerhaft seinen Bürgern einen höheren Lebensstandard, einschließlich Sicherheit und medizinischer Versorgung, bieten kann. Nur gemeinschaftsorientierte Gesellschaften können das, die, die sich auf das Individuum orientieren, können es nicht.

Es ist doch für jeden, der (dialektisch) denken kann, ganz offensichtlich: Wenn Gemeinschaftlichkeit zurückgenommen wird, wenn die zwischenmenschlichen Beziehungen reduziert werden, in die ein Individuum eingebunden ist, kann sich dieses dann, nun plötzlich befreit, doch nicht besser entfalten als zuvor! Nein, denn das Individuum braucht für seine Entfaltung ein Netz der Mitmenschlichkeit, und es muss lernen können/dürfen, sich in dieses einzufügen. Wer also wirklich individuell erziehen will, muss sich zuerst um die Beziehungen in den Gemeinschaften kümmern, zu denen ein Individuum gehört.  

Die schlichten Wessigemüter, die uns nach der Wende beigebracht haben, wie Schule richtig geht, hatten ja wirklich geglaubt, wenn die schlimme Orientierung auf das Kollektiv zurückgefahren wird, könnten die Individuen von allein sprießen.

„Hoppla, Ihre Schüler fläzen sich ja gar nicht in den Bänken!? Nicht einer hat ein Bein auf dem Tisch! Typisch DDR-diktatorische Unterdrückung der kindlichen Bewegungsfreiheit! Schauen Sie mal, wie erfrischend locker unsere Schüler sind!“ So etwas hatte die (DDR-)“Deutsche Lehrerzeitung“ damals tatsächlich berichtet. Inzwischen können alle fortschrittlichen Pädagogen jubeln: Wir haben aufgeholt und nun auch im Osten diesen hohen Standard freiheitlicher Pädagogik erreicht; die Reste alter Disziplin schimmern nur noch in den mitteldeutschen Ländern durch, denen, neben Bayern, mit den höchsten Leistungsergebnissen in Deutschland.

(Groß)Familie und Schule weg, Kind allein mit einem persönlichen Betreuer. Glaubt jemand im Ernst, dass sich die Individualität dieses Kindes nun besser entwickeln kann als im familiären und schulischen Beziehungsgeflecht? Es kommt auf die Qualität von Gruppen an; nicht alle, – und nicht einmal ihre Mehrheit – engen ein Kind von vornherein ein und benachteiligen es gegenüber einer Situation ohne jeden Gruppenzwang.

Und wenn sie es „einengen“, ist das gut, richtig und wichtig so, denn jeder Mensch muss lernen, mit Widerständen umzugehen und Lebens-Kameraden zu suchen, zu finden und zu behalten, mit denen zusammen er sie überwinden oder zumindest ertragen kann.

Dieses Gute („Liebe“) am Schlechten („Bösen“) nicht sehen zu können, entspringt dem undialektischen Denken, das bei den Gutmenschen grassiert: Wenn ich zum Baden an den See will, müsse ich schon auf dem Weg dahin schwimmen. Nein, gerade nicht. Wenn ich eine hohe Qualität persönlicher Individualität haben will, muss ich ihr vorher viel Gemeinschaftliches geboten und die Fähigkeit ausgebildet haben, durchzuhalten, sozusagen die „Blüten der Ebenen“ zu erkennen, wertzuschätzen und zu pflücken.

Es geht mir nicht um einzelne menschliche Irrtümer, die bei der Erziehung immer wieder passieren und durchaus auch tragische Auswirkungen haben können wie die Entnahme von Kindern aus ihren Familien, die ein Problem oft nicht heilt, sondern eher verschärft. Das ist schlimm genug. Aber mir geht es um den systemischen, strukturellen Denkfehler im pädagogischen Handeln im Deutschland von heute. Dieser strukturelle Fehler in der Tiefenstruktur des deutschen Erziehungs- und Bildungswesens macht das System kaputt. Ich habe ihn – das individuelle Ich über allem zu sehen und über alles zu stellen – in diesem Beitrag und in allen anderen zum Thema Erziehung beschrieben (oben bei den „Themen“ auswählen: „Zeitzeichen Autismus & Erziehung“), grundlegend in Die Grundfrage der Erziehung, in Wollt ihr die totale Psychiatrisierung der Erziehung? oder in Die kranke Gesellschaft.

Ich hatte es schon angedeutet: Es sieht nicht im ganzen Westen so schlimm aus wie in Deutschland. In keinem anderen westlichen Land wird der Wahn des „Das Individuum zuerst, vor jeder Gemeinschaft!“ so sehr auf die Spitze getrieben wie hier. In allen anderen westlichen Ländern gibt es ja noch die Ebene des nationalen Gemeinschaftsgefühls. Die darf es in Deutschland fast gar nicht mehr geben, und es gibt sie demnach auch kaum noch. Auch die Bedeutung der Familie als elementarer Menschengemeinschaft scheint mir besonders in Deutschland zugunsten unzähliger individueller und auch nur einzeln lebbarer Abart(igkeit)en der Liebe atomisiert worden zu sein. Und das alles über die längste Zeit unter Führung der CDU; allein Frau Merkel führte die Bundesregierung 16 Jahre an, von 2005 bis 2021.

Besondere, „abartige“ Formen der Liebe darf man gern privat praktizieren, wenn alle Beteiligten dem Kindesalter entwachsen und alle mündig und reif genug sind, zu entscheiden, ob sie das tatsächlich wollen. Mir geht es aber auch darum, dass das dann nicht öffentlich vorgeführt und keine staatliche Alimentierung der ganz persönlichen, eigenen Lust erwartet wird, die nicht dazu führt, dass das Leben durch neue Kinder weitergeht, die dann auch noch in einer „Familie“ /2/, aufgezogen werden, um die große nationale Gemeinschaft, zu der sie gehören, zu stärken.

 

Fußnoten

/1/ Das meine ich ganz sachlich. Kinder haben nie Schuld an ihrem Gestörtsein. Die gestörten Beziehungen der Erwachsenen um sie herum treiben sie in die Verhaltensauffälligkeit.

/2/ Aber bitte nicht zwei Opas, ein Hund und ein Kühlschrank, die erkannt haben, dass sie sich alle gegenseitig lieben – und nur darauf kommt es doch an! – und sich deswegen vor einem deutschen Standesamt miteinander verheirateten. (Beinahe wäre diese Vierer-Hochzeit noch an einer Kühlschrankdiskriminierung gescheitert. Aber das konnte zum Glück die Antidiskriminierungsbeauftragte [CDU] der Bundesregierung verhindern.)

14 Kommentare zu “„Die Kosten des Jugendamtes explodieren: Bei Schulbegleitung soll gespart werden“”

  1. Bernd Günther sagt:

    Die sanfte Hand des Autoritären

    Eine Replik auf die neue Pädagogik der Kontrolle

    Es beginnt immer sanft.
    Mit Worten, die nach Vernunft klingen, nach Erfahrung, nach Ordnung.
    Da ist die Rede von „Gemeinschaft“, von „Liebe in der Strenge“, vom „notwendigen Widerstand“, an dem Kinder wachsen sollen.
    Und man möchte fast nicken, weil vieles davon vertraut klingt – nach Schule, nach Familie, nach Verantwortung.

    Doch unter dieser milden Oberfläche arbeitet etwas anderes: ein alter Gedanke in neuer Sprache.
    Ein Gedanke, der vorgibt, das Kind zu schützen, und doch nur die Sehnsucht nach Gehorsam nährt.
    Ein Gedanke, der behauptet, Individualität sei gefährlich, weil sie Bindung erschwere – und der doch nur Freiheit fürchtet, weil sie Autorität entlarvt.

    Der moralische Trick

    Die neue Rhetorik des Autoritären kommt nicht mehr mit Donner und Disziplin.
    Sie kleidet sich in Bildungsdeutsch, in Ironie, in scheinbar dialektische Klugheit.
    Sie spricht von „systemischem Denken“, meint aber „hierarchisches Denken“.
    Sie spricht von „Werten“, meint aber „Unterordnung“.
    Sie spricht von „Liebe“, meint aber „Loyalität gegenüber der Norm“.

    Und während sie sich gegen „Pathologisierung“ wehrt, betreibt sie selbst die gefährlichste Pathologisierung:
    Sie erklärt Anderssein zur Krankheit der Zeit.

    Wenn Gemeinschaft zur Pflicht wird

    Natürlich braucht jedes Kind Zugehörigkeit.
    Aber eine Gemeinschaft, die nicht gewählt, sondern verordnet wird,
    verliert ihre menschliche Wärme und wird zur moralischen Zuchtanstalt.

    Wer heute predigt, das Individuum müsse sich „wieder einordnen“, spricht nicht von Bildung,
    sondern von Erziehung zur Anpassung – ein Wort, das in Deutschland eine lange und düstere Geschichte hat.

    Und wenn dieselbe Stimme dann noch darüber spottet, wer wen lieben darf,
    wenn sie die Familie zur moralischen Schranke erhebt und Vielfalt zur „Abartigkeit“ erklärt,
    dann endet Pädagogik dort, wo sie einst begonnen hat:
    bei der Angst vor dem Fremden, dem Wilden, dem Eigenen.

    Die Angst im Zentrum

    Das eigentlich Gefährliche ist nicht der Zorn in solchen Texten –
    es ist die Angst, die darin wohnt.
    Die Angst, dass die Welt sich pluralisiert hat.
    Dass Kinder heute Fragen stellen, die früher verboten waren.
    Dass Liebe heute Formen kennt, die sich nicht in die alten Tabellen fügen.

    Und weil diese Angst sich nicht eingestehen lässt,
    tarnen sich Kontrolle und Rückschritt als Sorge um das Wohl der Jugend.
    So wird Autorität wieder salonfähig –
    nicht durch Macht, sondern durch moralische Sentimentalität.

    Der neue Konservatismus der Gefühle

    Was hier entsteht, ist kein intellektuelles Phänomen,
    sondern ein emotionales:
    eine nostalgische Sehnsucht nach Ordnung, nach Klarheit, nach einer Welt,
    in der alles wieder an seinem Platz ist – Vater, Mutter, Kind.

    Doch diese Welt ist vergangen.
    Und wer sie mit pädagogischer Sprache zurückholen will,
    führt keinen Diskurs, sondern eine Verteidigungsstrategie gegen das 21. Jahrhundert.

    Das Fazit:

    Die Texte, die so tun, als wollten sie erziehen, wollen in Wahrheit begrenzen.
    Sie kleiden ihre Furcht vor Freiheit in die Robe des Denkens.
    Sie nennen das Böse „Verwirrung“, das Neue „Abartigkeit“,
    und sich selbst „Verteidiger des Gesunden Menschenverstands“.

    Doch der gesunde Menschenverstand, den sie beschwören,
    hat in der Geschichte zu oft das Schweigen der Vielen und das Leid der Anderen legitimiert.

    Bernd Günther

  2. Karl sagt:

    Wo habe ich von „Liebe in der Strenge“ geschrieben. Es gibt genug Worte in meinem Text, mit denen man sich auseinandersetzen kann, da muss man nicht welche dazuerfinden.

    Was will uns Bernd Günther zur Lage der Erziehung 2025 in Deutschland sagen? Ist es immer noch wie um 1900? Gibt es wie damals zu viel Führung, Ordnung, Hierarchie und Disziplin in den Familien und Schulen?

    Ist das eine richtige Beschreibung der Ursachen der typischen Erziehungsprobleme in Deutschland 2025? Sicherlich gibt es einzelne Fälle von Gewalt, die aus solch einem alten Denken herrühren. Aber ist das allgemeingültig für unsere Zeit?

    Gewalt und Vernachlässigung rühren heute viel eher aus Unordnung und Strukturlosigkeit in den familiären und schulischen Beziehungen her. Es ist nicht klar, wer führt und ob überhaupt einer führen darf. Wenn die verantwortlichen Erwachsenen aus Verunsicherung und Angst, rückständig zu sein, „zurücktreten“ und den Kindern Platz machen, übernehmen oft die das Kommando, die am lautesten sind, die sich das Bestimmen seit frühester Kindheit angewöhnt haben, weil ihre Eltern und Lehrer zu viel von dem gelesen haben, was du, Bernd, hier schreibst.

    Wir tragen alle die Verantwortung für das, was wir gesagt, getan und geschrieben haben. Ich glaube nicht, dass uns eine Diskussion weiter führt. Das ist ein ähnlicher Glaubenskrieg wie der, der seit Jahrhunderten zwischen Katholiken und Protestanten geführt wird.

    Ich habe nicht mehr zu sagen als das, was ich schon in den vielen Beiträgen zum Thema „Zeitzeichen Autismus & Erziehung“ (siehe den Hauptbeitrag) geschrieben habe.

    1. Bernd Günther sagt:

      Antwort auf „Zur Lage der Erziehung 2025“

      Lieber Karl,
      es geht nicht darum, neue Worte zu erfinden, sondern alte Haltungen zu erkennen.
      Du sprichst von Strukturlosigkeit – ich spreche von der Angst vor Freiheit.
      Das sind zwei Seiten derselben Medaille.

      Wo Menschen Führung verwechseln mit Kontrolle, wird Vertrauen zur Schwäche erklärt.
      Und wo Erwachsene aus Unsicherheit „zurücktreten“, ist das nicht das Ergebnis zu vieler Freiheiten,
      sondern zu weniger Beziehungen.

      Erziehung ist heute kein Glaubenskrieg,
      sondern ein Spiegel der Gesellschaft, die sich vor ihrer eigenen Widersprüchlichkeit fürchtet.
      Ich glaube, Kinder lernen nicht an Ordnung – sondern an Menschen.
      Und wer Kinder ernst nimmt, braucht keine Macht, um gehört zu werden.

      Herzlich,
      Bernd Günther

      1. Karl sagt:

        Das ist genau der Punkt: Das Verhältnis von Freiheit und Ordnung

        Lieber Bernd,

        da haben wir einen Anhaltspunkt, unsere Diskussion zu ordnen. Die Frage ist: Was ist primär, die Ordnung oder die Freiheit. Ich bin überzeugt, dass in menschlichen Beziehungen, auf jeden Fall dann, wenn einer die Verantwortung für den anderen trägt, die Ordnung primär sein muss. Auf ihrer Grundlage und in ihrem Rahmen soll sich dann die Freiheit entfalten.

        Du scheinst es wie unser Ex-Bundespräsident Gauck umgedreht zu sehen: Für dich ist offenbar die Freiheit des einzelnen Menschen primär, und die Ordnung soll sich dann nach seinen Freiheitsbedürfnissen ausrichten. Ich sage, die Freiheit des Einzelnen hört immer dann auf, wenn sie die Freiheit eines anderen beeinträchtigt. Kinder sind oft ungestüm. Ich schaue zuweilen mit ein wenig Neid auf ihre Lebensvitalität. Aber was für ein Glück: Was zu stark und zu viel ist, lässt sich begrenzen. Viel schlimmer wäre, es würde an Lebensvitalität, an der Lust, zu leben, zu spielen, zu lernen und zu kämpfen fehlen.

        Es wäre viel schwieriger, dieses Problem zu beheben, als ungestümer Lebensenergie einen Halt, eine Struktur, eine Form zu geben. Das so zu tun, dass die Lebenslust nicht erlahmt oder gar verloren geht, aber gesteuert, kultiviert und mehr und mehr auch selbstkontrolliert wird, halte ich für eine gute Definition von Erziehung.

        Bei Erwachsenen ist das so ähnlich mit der Kultur des Alkoholgenusses. Es gibt einen Rahmen, ein Höchstmaß und eine gemäßigte Geschwindigkeit des Konsums, die mit dem Ausdruck von Gedanken und Gefühlen verbunden ist. Alkohol als Mittel zum Zweck, nicht trinken um des Trinkens will, sondern kontrolliert und kultiviert trinken, um einen gedanklichen und emotionalen Freiraum zu vergrößern, nicht absolut – das wäre dann der „Filmriss“, das unkontrollierte Explodieren von Gefühlen -, sondern verhältnismäßig in Bezug zu einer immer noch vorhandenen Ordnung gegenseitiger Rücksichtsnahme. (Gerade wir beide haben das in Veltenstein, glaube ich, meisterhaft praktiziert.)

        Eine absolute Freiheit ist immer zerstörerisch. Eine relative, gebunden an humane Ordnungen, ist gut. Und triebhafte Freiheit können Menschen von allein, die Ordnung aber müssen sie lernen, und dafür brauchen sie Erziehung.

        Das Leben ist spannend. Es findet zur Zeit ein Kampf der Systeme um diese Lebensprinzipien statt. China setzt (wie ich) auf das Primat der Ordnung gegenüber der individuellen Freiheit. Der „Westen“ setzt (wie du) auf das Primat der individuellen Freiheit. Für mich zeigt sich jetzt schon deutlich, wer gewinnen wird. Aber es verschränkt sich auch Vieles: Verrückterweise ist der „Westen“ zum Teil ordnungsaffiner als China. In der EU wird der Verbrenner verboten, in China regelt das der Markt

        Du weißt ja, dass ich Angst habe, mich selbst zu vergessen und das zu vergessen, was ich schon einmal verstanden hatte (du hattest diesen Gedanken in deinem WhatsApp-Kanal aufgegriffen). Vielleicht geht es dir ähnlich. Deshalb will ich dich an das er-innern, was du 2010 in deinem Artikel „Wehret den Anfängen!“ über dich als Lehrer geschrieben hattest:

        „Die Forderung nach Kooperation ist deshalb bis heute ein Grundprinzip von mir: ‚Ich bin hier, um etwas von mir an Dich/Euch zu geben. Ich verschenke Information, Wissen, neueste Erkenntnisse … Ich erwarte, dass Du/Ihr mir zuhört, mitarbeitet, mitstreitet …etc.‘

        Die zweite, unlösbar mit dieser Kooperationsforderung im Zusammenhang stehende Aussage ist: ‚Jede Störung von Dir/Euch ist ein Angriff auf das Kooperationsprinzip und wird von mir sofort nach der Methode: Wie Du mir, so ich Dir unmittelbar beantwortet…‘ Jede Störung … wird [also] sofort (und nicht erst nach Eskalation!) im Ansatz unterbunden (‚wehret den Anfängen!‘). Dabei beobachte ich sehr genau, wann eine solche Störung beginnt. Eine Störung hat immer bei einer Person seinen Ursprung. Hier ein scharfes Beobachtungsinstrument zu besitzen, welches im Hintergrund den Klassenraum permanent abscannt [Hervorhebung – Karl], ist ein großes Glück und gehört deshalb dringend in den Werkzeugkoffer…“

        [Das sagt der, der mich beschuldigt, Führung auf Kontrolle zu reduzieren. Wie soll – bitteschön – Führung funktionieren, wenn ich den Status quo nicht durch Kontrolle feststellen darf?]

        „…Freundlich und bestimmt lassen sich Eskalationen zu diesem Zeitpunkt noch leicht vermeiden. Anschließend gehe ich wieder über zum Prinzip der Kooperation. Dieses Spiel zwischen freundlich zu sein und zurückzuschlagen [sic! Hervorhebung Karl], dann aber wieder zur Kooperation zu finden (und nicht beleidigt zu sein), ist sehr wirksam und reibt nicht auf. Es stellt ohne großen Aufwand die Ordnung im Klassenraum [sic! Hervorhebung Karl] wieder her und ist von jedem Schüler leicht einsehbar.“

        Du hast das Kontroll-Prinzip im übrigen selbst perfektioniert. Du berichtest im selben Artikel über eine schwierige Klasse erwachsener Umschüler, die du nur durch das Prinzip „Vollbeschäftigung“, gekoppelt mit wöchentlichen schriftlichen Leistungskontrollen, zum motivierten Lernen bringen konntest.

        1. Bernd Günther sagt:

          Wenn Diskussion zur Kontrolle wird

          Manche führen keine Gespräche, sie verwalten sie.
          Sie reden, um zu ordnen, nicht um zu verstehen.
          Sie brauchen den Diskurs, wie andere eine Versicherung brauchen:
          als Schutz gegen Ungewissheit.

          In solchen Dialogen geht es nicht um Wahrheit,
          sondern um Vorherrschaft über Bedeutung.
          Wer die Begriffe definiert, gewinnt –
          unabhängig davon, ob er recht hat.
          Darum klingen viele Wortwechsel so „sachlich“
          und sind doch so unlebendig.

          Ich habe gelernt, dass manche Diskussionen
          nur vordergründig rational sind.
          In Wahrheit sind sie Abwehrsysteme:
          gegen Nähe, gegen Verletzlichkeit,
          gegen das eigene Nichtwissen.
          Sie erzeugen den Schein von Kontrolle,
          wo in Wahrheit Angst herrscht.

          Der Narzissmus des Diskurses besteht darin,
          dass man lieber die Deutung beherrscht,
          als einen Moment wirklich zu verstehen.

          Deshalb lässt sich mit dir, lieber Karl, kaum streiten.
          Denn jeder Versuch, sich zu nähern,
          wird als Angriff erlebt.
          Und jeder Widerspruch bestätigt nur,
          dass Kontrolle nötig ist.

          1. Karl sagt:

            Du hast mir meinen Text geklaut

            Genau das, was du mir als deine letzte Antwort geschrieben hast, hätte ich dir schreiben wollen, wenn ich gewusst hätte, dass du das schreiben wirst:

            Mit dir kann man nicht diskutieren. Also lassen wir es.

  3. Marlen sagt:

    „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“

    Dieser Satz von Helmut Kohl wurde belächelt, hat aber seine Berechtigung. Was das mit der Erziehung und Bildung zu tun hat? Nun, am Ende der Kindheit und Jugend kommt das Leben, das jeder selbst gestalten muss. Und dafür muss man gut vorbereitet sein. Jeder Sportler ist im Wettkampf nur so gut, wie er sich im harten Training vorbereitet hat. Jedes tolle Bauwerk, Palast oder Hochhaus, benötigt ein solides Fundament, das man zwar nicht sieht, das aber für die Standfestigkeit entscheidend ist. Und je größer und prächtiger der Bau, umso stabiler und tiefer muss das Fundament sein. Selbst eine Straße braucht einen soliden Unterbau, wenn sie lange halten soll. In Kindheit und Jugend wird das Fundament für unser gesamtes Leben gelegt. Vieles kann man danach noch zugeben, alles nicht. Und jeder weiß, dass es später nur mit großer Anstrengung gelingt.

    Natürlich soll jeder eine schöne Kindheit haben, doch sie macht nur etwa ein Viertel unseres Lebens aus. Das Wichtigste ist und bleibt die Liebe zum Kind. Wenn ich aber mein Kind wirklich liebe, muss ich ihm nicht nur eine behütete Zeit schenken, sondern es für das eigene Leben vorbereiten. Dann kann es selbst gestalten und seine Träume verwirklichen. Und je besser erzogen und gebildet, desto mehr Möglichkeiten stehen ihm offen.

    „Was du liebst, lass los. Wenn es zu dir gehört, kommt es zurück für immer.“ Das zählt für mich. Ich habe zu meinen Söhnen und zu manchen meiner ehemaligen Schüler ein gutes Verhältnis, obwohl wir keine Kuschelpädagogik hatten. Und sie sind beruflich wie privat gut aufgestellt. Von denen weiß ich, dass „etwas Gutes hinten rausgekommen ist.“

    Ich habe 30 Jahre lang im Bereich Grundschule praktisch gearbeitet, also Fundamente gelegt, begann viermal mit einer 1. Klasse. Soll heißen, ich sehe eure theoretischen Überlegungen aus meiner ganz praktischen Sicht einer Grundschullehrerin. Ja, das ist lange her, aber ich habe auch Kinder und Enkel und bin mittlerweile dadurch auch schon im 21. Jahrhundert angekommen.
    Ich habe keinen Einfluss auf die Erziehung meiner Enkel genommen, weiß aber, dass Gutes überlebt hat und neue Einflüsse zeitgemäß integriert wurden. Ich bin diesbezüglich ein guter Beobachter und kann mich über die Ergebnisse freuen.

    Doch was ich insgesamt in der modernen Gesellschaft sehe, erfüllt mich nicht mit Zufriedenheit, um es charmant auszudrücken. Ich denke, genauso wie man bei den modernen Lernmethoden schon begonnen hat, wieder zurück zu rudern, so wird es auch im Bereich der Erziehung werden müssen, wenn das Niveau unserer Schulabgänger wieder angehoben werden soll, was ja wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch unbedingt notwendig ist.

    Die Zeit der antiautoritären Erziehung hat gezeigt, dass sogar die Nichterzogenen später unzufrieden darüber waren. Mein Sohn machte mir den Vorwurf, ihn damals nicht dank meiner Autorität „gezwungen“ zu haben, in der „Mathematischen Schülergesellschaft“ zu verbleiben, obwohl er zeitgleich sein Radsporttraining hatte. Für sein Physikstudium hätte er es gut gebrauchen können, so viel zur Rolle der Erzieher…

    Ja, es gibt eine Erziehungsberechtigung, aber auch eine Erziehungspflicht. Ich kenne mehrere Beispiele, wo Erwachsene ihre Eltern und Erzieher kritisch sehen hinsichtlich konsequenter Forderungen an sie in der Kindheit. Ich selbst bin durch eine relativ autoritäre und strenge Erziehung gegangen, die ich bei meinen Söhnen so nicht praktiziert habe. Da ich aber bei mir Eigenschaften wie hohe Selbstdisziplin, Gemeinschaftssinn, Streben nach hohen Leistungen etc. als positiv für mein Leben erkannte, habe ich das Gute bewahrt und es der neuen Zeit angepasst. Ich erlebe, dass es meine Söhne in ihren Familien ähnlich praktizieren, und das mit gutem Erfolg.

    Apropos Familien. Ja, da bin ich sicher von gestern mit meiner Überzeugung, dass Frau und Mann, in Liebe verbunden, nicht nur gemeinsam Kinder zeugen, sondern sie auch liebevoll gemeinsam erziehen sollten. Mama, Papa, Kind, besser noch zwei oder mehr (nicht unbedingt Mamas und Papas, sondern Kinder). Immer wieder habe ich in meinen Klassen erlebt, dass diese Kinder nicht nur glücklicher, sondern auch erfolgreicher waren als die mit anderen Konstellationen. Ich denke, da hat sich einst die Natur etwas dabei gedacht, ähnlich wie bei den vier Jahreszeiten. Wir sollten der Natur mehr vertrauen und nicht versuchen, sie zu überlisten.

    „Alles fließt, und zweimal kann man nicht in den gleichen Fluss steigen.“ Soll heißen, dass nichts so bleibt wie es war. Gut so. Nicht gut, dass die Menschen dachten, sie müssten die Flussläufe verändern, begradigen. War sicher mal eine revolutionäre Idee und hat manchem manches gebracht. Aber irgendwann stellte man fest, dass die Überschwemmungen eine Menge Schaden anrichten, und genau das waren die Folgen. Nun, aus Fehlern sollte man lernen, man muss aber die gleichen nicht wiederholen.

    Auch das Fahrrad muss man nicht neu erfinden, nur durch Verbesserung den neuen Ansprüchen anpassen. Ich denke, die Pädagogik sollte auch nicht immer neu erfunden werden…

  4. Bernd Günther sagt:

    Lieber Karl,
    wenn einer am Ende sagt,
    man könne mit dem anderen nicht diskutieren,
    dann meint er meist nicht den anderen –
    sondern sich selbst.

    Das „Nichtdiskutierenkönnen“
    ist kein Urteil über den Gesprächspartner,
    sondern ein Symptom der Erschöpfung,
    wenn die eigenen Schutzmechanismen nicht mehr tragen.

    Ich glaube, du hast nicht das Gespräch beendet,
    sondern den Moment,
    in dem du hättest etwas über dich erfahren können.
    Das ist menschlich –
    aber schade.

    Denn gerade da,
    wo es schwierig wird,
    beginnt das,
    was du so gern vermeidest:
    Verständigung.

    Schweigen ist eine Entscheidung, Karl.
    Aber keine Antwort.

    1. Karl sagt:

      Mit dir kann ich nicht mehr diskutieren. Früher ging es ja mal. Aber ich kann mit dem pastoralen Geschwurbele, das mir künstlich intelligent vorkommt und das du neuerdings vor dich herträgst, wirklich und tatsächlich nichts anfangen.

  5. Bernd Günther sagt:

    Lieber Karl,
    du hast recht: Früher ging es leichter zwischen uns.
    Damals wollten wir beide noch verstanden werden.

    Heute willst du recht behalten,
    und ich will verstehen.
    Das sind zwei Bewegungen,
    die sich kaum noch begegnen.

    Wenn du mein Schreiben „pastoral“ nennst,
    dann vielleicht, weil es um Menschen geht,
    nicht um Siege.
    Und wenn du es „künstlich intelligent“ findest –
    dann tröstet mich,
    dass du immerhin die Intelligenz noch erkennst.

    Ich nehme dein Nichtverstehen nicht übel.
    Nur schade ist,
    dass du ausgerechnet dort die Grenze ziehst,
    wo Gespräch beginnen könnte:
    in der Verunsicherung.

    Vielleicht war das, was du jetzt „Geschwurbel“ nennst,
    früher einmal das,
    was du „Denken“ genannt hast.

    1. Karl sagt:

      Das soll das Schlusswort sein.

      Du sollst es behalten. Einmal muss es ja gut sein. (Ich lass dich gelten. Das dazu, dass ich immer nur Recht behalten will.)

  6. Bernd Günther sagt:

    Lieber Karl,
    dann lassen wir es gut sein.
    Nicht, weil alles gesagt wäre,
    sondern weil irgendwann auch das Schweigen
    Teil des Gesprächs wird.

    Ich nehme dein Schlusswort an –
    nicht als Sieg,
    sondern als Zeichen,
    dass Dialog wenigstens versucht wurde.

    Herzliche Grüße

    Bernd

  7. Marlen sagt:

    Nun, wenigstens keine Wortgefechte mit scharfer Zunge, kein „Rosenkrieg“, ein sanftes Loslassen nach jahrzehntelanger Freundschaft.
    So ist es wohl gut. Habe das auch schon hinter mir, es gehört wohl zum Leben, besonders wenn es schon ziemlich lang andauert.

    Ich wünsche euch beiden noch viele erlebnisreiche, gesunde Jahre, und vielleicht geht irgendwann und irgendwo wieder eine Tür auf, wenn die eine nun geschlossen wurde.
    Die Hoffnung lebt am längsten…

    Herzlichst von Marlen

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