Man kann zur Windkraft stehen, wie man will. Eine sachliche und fachliche Debatte in der Energiepolitik wäre das Mindeste, was der Bürger von seinen gewählten Vertretern erwarten darf. Gerade aber die ostdeutsche Mehrheitspartei AfD verkämpft sich wie Quichotte gegen die Windmühlen mit Ignoranz, Halbwahrheiten und immer skurrileren Tönen. Weil es vielleicht um was ganz anderes geht?
Der Jahreswechsel 1978/79 gehört zu meinen frühen Kindheitserinnerungen. An Silvester fiel der Strom aus. Wir waren mit meinem Bruder bei der Oma – die Eltern zum „Vergnügen“, wie das damals hieß. Das Kürzel „SOS“ hatte nun in der DDR eine neue Transkription: Silvester Ohne Strom. Wir saßen bei Kerzenlicht. Es war in meiner Erinnerung aufregend und unheimlich zugleich.
Damals hatte ich die Ausmaße der Katastrophe nicht kennen können. Schon gar nicht die jenseits des Eisernen Vorhangs. Grenzübergreifend war gerade Norddeutschland besonders betroffen. Tagelang ohne Strom, weil viele Überlandleitungen unter der Schneelast gerissen waren. In Ostfriesland brachte dies einen jungen deutschen Ingenieur ins Nachdenken: Eine dezentrale Energieversorgung hätte diese Fehleranfälligkeit nicht. Die Leute sollten sich selbst mit Strom versorgen können.
Der Tüftler nahm sich die dort regional seit Jahrhunderten genutzte Windkraft zum Vorbild und gründete – ganz „klassisch“ – in der eigenen Garage ein Unternehmen für Windräder. Klein am Anfang – die Firma selbst wie die Produkte. Die 1. Generation der Kunden: Landwirte. Die 2. – Landwirte. Die 3. – …Sie ahnen es. Landwirte (zunächst regional, später überregional) stellten sich Windräder auf ihre Äcker, um sich eigenständig mit Strom zu versorgen.
Das Unternehmen wuchs und wuchs. Aus überregional wurde national, aus national – international. Zwischenzeitlich arbeiteten weltweit fast 20.000 Mitarbeiter für das Unternehmen. Der Gründer jedoch wohnte bis zum Schluss in seinem bescheidenen Klinkerhäuschen, wo er Anfang der 80er gestartet war. Meist fuhr er mit dem Fahrrad zur Arbeit. Obwohl die Familie inzwischen mehrere Milliarden Euro „schwer“ war, arbeitete die Ehefrau bis zur Pension als Lehrerin.
Für mich ist das eine deutsche Erfolgsstory, wie sie sonst eher den Amerikanern zugeschrieben würde. Wir sollten stolz darauf sein! Sind wir aber nicht. Zumindest nicht im rechten politischen Spektrum unseres Landes. Warum eigentlich nicht? Weil uns die Produkte – Windräder – nicht gefallen? Ist das deren Ernst?
Ich finde, man kann zu Windrädern geteilter Meinung sein. Wie alle technischen Bauwerke haben sie Vor- und Nachteile. Jeder mag das für sich bewerten. Warum aber sollten sie eine „SCHANDE“ sein? Wie es Frau Weidel in die Welt hinaus brüllt?
Unglücklich das Rückrudern nach dem Schrei: es seien nur die Windräder im „Märchenwald“ gemeint gewesen (wo gar keine geplant sind). Oder: Man müsse sie auch nicht „niederreißen“, denn die fielen ja von selbst in sich zusammen. Unglücklich und unglaubwürdig, wird die AfD-Chefin doch nicht müde, die gleichen Märchen wieder und wieder vor ihren johlenden Meuten zu erzählen.
Frau Weidel will die „Windmühlen der Schande“ also „niederreißen“ (lassen). Obwohl das so gar nicht im AfD-Programm drin steht. Warum? Weil objektiv so viel gegen Windräder spräche? Wohl kaum. Und auf welcher rechtlichen Grundlage eigentlich? Sie gehören ihr doch nicht. Auch nicht dem Staat. (Sondern – Sie erinnern sich – ganz vielen Landwirten.)
Mich beunruhigt das sehr: Die selbsternannte Anti-Ideologie-Partei AfD führt einen rein ideologischen Kampf gegen die „Windmühlen“. Sie greift einen diffusen Unmut auf, stachelt ihn an, verstärkt ihn durch Lügen und Halbwahrheiten, weil ihr nur der gesellschaftliche Unfriede in die Karten spielt. Im Osten Deutschlands könnte sie bei einer der nächsten Landtagswahlen die absolute Mehrheit erzielen. Dann gelten hier Eigentumsrechte nichts mehr. Der aufgehetzte Mob wird anfangen, die Windräder „niederzureißen“ wie einst die Mauerspechte die Mauer. Ob die AfD das will oder nicht, wird dann gar keine Rolle mehr spielen. Der Geist wäre dann aus der Flasche…
Denn einen Gefallen werden die Windräder Frau Weidel ganz sicher nicht tun – von selbst umfallen. Zumeist sind sie nämlich echte deutsche Wertarbeit aus Ostfriesland, die sich noch lange drehen könnten, wenn man sie nur lässt.