Nein, doch nicht bis „dort hinaus“, sondern nur bis zur Oder-Neiße-Grenze.
Allerorten und „allerzeiten“ ging es in den letzten Tagen um die Würdigung des „Volksaufstandes“ in der DDR am 17.06.1953. Er wurde hochgejubelt als Aufstand für „Freiheit und Demokratie“. Schade nur, dass 1953 partout keine Regenbogenfarben zu sehen waren, sondern nur schwarz-rot-goldene, die heute den Verfassungsschutz auf den Plan rufen, wenn sie gehäuft unabhängig von sportlichen Großereignissen getragen und gezeigt werden.
Für „freie demokratische Wahlen“ waren die Demonstranten in Berlin und der ganzen DDR in erster Linie eingetreten, weil sie sich davon die deutsche Wiedervereinigung erhofften. Deswegen war dieser Tag auch offizieller und arbeitsfreier Feiertag in der Bundesrepublik Deutschland von 1954 bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990, und zwar als „Tag der deutschen Einheit“, nicht als „Tag der Freiheit/Demokratie“. So wird aus heutiger Sicht Geschichte in Anspruch genommen und umgedeutet.
Dieser Feiertag hätte auch nach 1990 weiter bestehen müssen, denn die deutsche Einheit, wie sie die mutigen Aufständler von 1953 im Sinn hatten, ist mit der Vereinigung der DDR mit der BRD noch keinesfalls beendet. Man kann das aus heutiger Sicht für falsch halten, aber man muss doch bei der historischen Wahrheit bleiben, dass die hehren Demokraten und Freiheitskämpfer von 1953 an vorderer Stelle explizit auch einen Friedensvertrag der Siegermächte mit dem besiegten Deutschland forderten.
Das taten sie auch deswegen, weil im Potsdamer Abkommen von 1945 ausgehandelt worden war, dass die deutschen Ostgebiete (Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern und Ostpreußen) bis zum Abschluss eines Friedensvertrags unter polnische bzw. sowjetische Verwaltung gestellt werden sollten.
Die westlichen Alliierten fühlten sich damals noch verpflichtet, so weit deutsche Interessen gegen Stalin durchzusetzen. Die Deutschen selbst sind schnell beim Aufgeben des Eigenen. Das lässt sich sozusagen in gerader Linie bis heute beobachten. Noch zur letzten Bundestagswahl (1949) vor 1953 traten alle Parteien, außer vielleicht die KPD, dafür ein, dass es das „ganze Deutschland“ sein sollte (siehe Wahlplakate) /1/.
Diese Forderung nach dem „ganzen Deutschland“ in den Vorkriegsgrenzen kann man aus heutiger Sicht, wie gesagt, für überholt halten, vielleicht sogar schon 1953, aber sie einfach zu verleugnen, so zu tun, als ob sie nicht zum „Volksaufstand“ von 1953 gehört hatte, widerspricht gerade der von allen Repräsentanten des heutigen Deutschland beschworenen Freiheit, Wahrhaftigkeit und Demokratie, für die über 50 Deutsche starben und mehr als 15.000 inhaftiert wurden.
Fußnoten
/1/ Die SPD war also wie die anderen Volksparteien in ihrer eigenen Nachkriegsgeschichte aus heutiger Sicht selbst ein paar Jahre lang „rechtsextrem“. So weit wie die SPD 1949 ging, geht die AfD heute nicht.